Karl (Wackar) Horvath

"Er winkte noch einmal, dann fuhren sie mit ihm fort."

Kurzinformation

„Er winkte noch einmal, dann fuhren sie mit ihm fort.“

Aufnahme von Karl Horvath auf einer Karteikarte der NS-Rassenforschung (Bundesarchiv Berlin R165-50)
Aufnahme von Karl Horvath auf einer Karteikarte der NS-Rassenforschung (Bundesarchiv Berlin R165-50)

Karl Horvath wurde am 13. April 1908 im österreichischen Graz geboren. Er gehörte zur Gruppe der Lovara-Roma und trug den Roma-Namen „Wackar“. Seine Tochter, die Holocaust-Überlebende und spätere Schriftstellerin und Künstlerin, Ceija Stojka beschrieb ihn als modernen und aufgeschlossenen Mann. Karl Horvath betrieb auf Märkten in unterschiedlichen Regionen Österreichs einen Pferdehandel. Seine Frau Sidi verkaufte Stoffe.

Die damit verbundene Reisetätigkeit war für ihn dabei eher ein Übel und eine berufliche Notwendigkeit. Nur ungern ließ er Bekannte und Freunde bei der Weiterreise zurück, wie sich seine Tochter Ceija später erinnerte.

Der „FestsetzungserlassFestschreibungserlass Der Festschreibungserlass war eine Anordnung von Heinrich Himmler (dem Reichsführer-SS und Chef der deutschen Polizei) vom 17. Oktober 1939. Darin wurde den Sinti und Roma verboten, ihren Wohn- und Aufenthaltsort ohne vorherige Genehmigung zu verlassen. Selbst für Besuche bei auswärtigen Verwandten mussten vorher Passierscheine beantragt werden, um sich nicht strafbar zu machen. Bei Zuwiderhandlungen drohten Verhaftung und Einweisung in ein Konzentrationslager.“ verbot im Oktober 1939 auch den in Österreich lebenden Roma und Sinti das Verlassen ihrer Aufenthaltsorte und zwang die Familie Horvath dazu, den Pferdehandel aufzugeben. Karl und Sidi Horvath mussten für sich und ihre sechs Kinder Mitzi, Kathi, Ceija, Hansi, Karli und Ossi einen dauerhaften Aufenthaltsort suchen. Im 16. Wiener Gemeindebezirk Ottakring fand die Familie beim Fuhrunternehmer Sprach in der Paletzgasse 42a einen Stellplatz für den Wohnwagen. Dieser wurde mit Holz und Steinen umkleidet und auf diese Weise zu einem kleinen Häuschen umgebaut. Während die kleineren Kinder die örtliche Volksschule besuchten, nahm die älteste Tochter Mitzi eine Arbeit in einer nahegelegenen Fabrik an. Die Familie entschied, möglichst unauffällig zu leben, um nicht weiter ins Visier der Nationalsozialisten zu geraten.

Der sogenannte „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im Jahr 1938 hatte zu diesem Zeitpunkt bereits weitreichende Auswirkungen auf die Lebenssituation der österreichischen Roma und Sinti gehabt: Unter anderem wurden „Mischehen“ verboten und eine (Zwangs)-Arbeitspflicht für alle „arbeitsfähigen“ Angehörigen der Minderheit eingeführt.

Karl Horvath, sein Sohn Johann (Hansi) und Alfons Rigo mit seinem Vater (v. r. n. l.), ca. 1935 (Privatbesitz/Archiv DokuZ)
Karl Horvath, sein Sohn Johann (Hansi) und Alfons Rigo mit seinem Vater (v. r. n. l.), ca. 1935 (Privatbesitz/Archiv DokuZ)

Am frühen Morgen des 20. Januar 1941 wurde Karl Horvath völlig überraschend von der Gestapo verhaftet und in das KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Dachau bei München verschleppt. Dort wurde aus dem Pferdehändler und Familienvater die Nummer 23.119. Karl Horvath ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, was ihm und seiner Familie noch bevorstehen sollte.

„Eines Tages holte die Gestapo unseren Vater Karl Wackar Horvath von unserem Platz ab. Sie kamen in einem kleinen Auto und stießen ihn hinein. Wir Kinder standen da, mit Tränen um unseren Vater. Er winkte noch einmal, dann fuhren sie mit ihm fort. Das war 1941 und meine letzte Erinnerung an ihn. Wir sahen ihn nie wieder.“
(Ceija Stojka: Wir leben im Verborgenen, S. 16)

Schreibstubenkarte aus dem KZ Dachau
(Arolsen Archives DocID 10664269)

In den 22 Monaten bis zu seiner Ermordung musste Karl Horvath eine Zwangsodyssee durch verschiedene NS-KonzentrationslagerKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". ertragen. Von Dachau aus brachte ihn die SSSchutzstaffel Die Schutzstaffel (kurz: SS) war 1925 als persönliche Leibwache Hitlers gegründet worden. Den höchsten Dienstgrad innerhalb der SS stellte seit 1934 der „Reichsführer SS“ dar. Bis 1945 nahm Heinrich Himmler diese Position ein. Unter seiner Leitung wurde die SS zu einer Eliteeinheit aufgebaut, die zum zentralen Instrument des staatlichen Terrors wurde. Die SS hatte im Rahmen der „Endlösung“ maßgeblichen Anteil am Völkermord an den europäischen Juden sowie den Sinti und Roma. bereits 3 Tage später in das KZ Neuengamme bei Hamburg. Ende April transportiert man ihn zurück nach Dachau, wo er die Häftlingsnummer 24.973 erhielt.

Am 17. Dezember 1941 wurde Karl Horvath in das KZ Sachenhausen bei Berlin deportiert und erhielt die Häftlingsnummer 40.551. Dort verblieb er ein knappes Jahr und kam Anfang Oktober 1942 schließlich zum dritten Mal nach Dachau. Seine Registrierung erfolgte mit der Häftlingsnummer 37.379. Vermutlich hatte Karl Horvath in Neuengamme und Sachenhausen schwere ZwangsarbeitZwangsarbeit Bezeichnung für die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft ohne oder mit nur sehr geringer Bezahlung. Das nationalsozialistische Deutschland schuf mit insgesamt über 12 Millionen Zwangsarbeiter*innen eines der größten Zwangsarbeitssysteme der Geschichte. Neben Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen wurden Millionen von Zivilisten aus besetzten Staaten Europas größtenteils verschleppt und von der deutschen Industrie als Zwangsarbeiter*innen missbraucht. leisten müssen. Ein Hinweis auf seine Unterbringung im Krankenrevier im KZ Sachsenhausen lässt annehmen, dass er aufgrund der körperlichen Entbehrungen und der schweren Zwangsarbeit krank war und somit aus Sicht der SS als „nicht mehr arbeitsfähig“ galt.

Als „Invalidentransport“ getarnt brachte die SS Karl Horvath zusammen mit weiteren KZ-Häftlingen am 28. November 1942 von Dachau mit einem Bus in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz (Österreich). Man kann davon ausgehen, dass das Transportdatum zugleich sein Todesdatum war: Schloss Hartheim diente ausschließlich als Vernichtungszentrum ohne eine Unterbringung der Opfer. Sie wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet. Offiziell wurde der Tod von Karl Horvath jedoch durch die Staatspolizeistelle München am 30. November 1942 an das KZ Dachau gemeldet. Am 2. Dezember 1942 beurkundete dort das Lagerstandesamt seinen Tod im KZ Dachau und gab als Todesursache „Versagen von Herz und Kreislauf bei Lungentuberkulose“ an. Todesort und Todesursache wurden bewusst gefälscht, um die Ermordung kranker und unliebsamer Häftlinge in den Tötungsanstalten der „Aktion 14f13Aktion 14f13 Im Sprachgebrauch der Nationalsozialisten wurde diese systematische Ermordung von KZ-Häftlingen auch als „Sonderbehandlung 14f13“ betitelt. Sie wurde im Frühjahr 1941 von der „Kanzlei des Führers“ und der SS-Führung beschlossen und in den drei für die Ermordung von Kranken und Behinderten eingerichteten Tötungsanstalten Bernburg, Pirna-Sonnenstein und Hartheim durchgeführt. Zur Tarnung benannte die SS die Mordaktion nach einem Aktenzeichnen der Inspektion der Konzentrationslager. Es wurden zwischen 1941 und 1943 in Bernburg und Pirna bzw. bis 1944 in Hartheim nach Schätzungen rund 15.000 bis 20.000 vor allem arbeitsunfähige und kranke, jedoch auch jüdische und politisch unerwünschte KZ-Häftlinge in den Gaskammern ermordet. Um die Transporte in die Tötungsanstalten zu tarnen, wurden diese als „Invalidentransporte“ bezeichnet und in den Akten und Urkunden die Konzentrationslager als Sterbeorte vermerkt. Die persönlichen Gegenstände der Ermordeten wurden aus den Anstalten zurück in die Konzentrationslager geschickt, wodurch dort Häftlinge ahnen konnten, dass die Abtransportierten getötet worden waren. Hingegen konnten die Angehörigen der Opfer keine Rückschlüsse auf die wahren Todesumstände schließen. Erst als im Frühjahr 1943 der Bedarf der SS an Zwangsarbeitskräften stark anstieg, erfolgte die fast vollständige Einstellung der Mordaktion. Nur in Hartheim endeten die Häftlingstötungen erst im Dezember 1944.“ administrativ zu verschleiern.

Auszug aus des Liste des Transports in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim (Arolsen Archives DocID 9919978)

Während seiner Internierung in Dachau hatte Karl Horvath bereits versucht, seine Familie zu warnen. Wiederholt schickte er Briefe nach Wien und umging die Postzensur der SS, indem er Romanes-Worte benutzte und damit Warnungen andeutete. Bei dem Satz „Wie geht’s denn Kate Mundaren?“ dachte die SS, es handele sich um einen Namen. In Wirklichkeit bedeutete es jedoch „Hier bringen sie die Leute um.“ So ahnte die Familie schon früh die auch für sie tödliche Bedrohung. Anfang 1943 traf die Nachricht über den Tod des Vaters in Wien ein – und wenig später eine Urne.

„Die Urne kam in einem braunen Karton mit seinen Kleidern. Der Hut war drin, das Hemd, die Schuhe. An seinem Pepitaanzug konnte man sehen, was für ein Elendsmensch darin gesteckt ist. Meine Mama schüttelte die Urne: „Bist du da drin, Wackar?!“ Er war aber nicht drinnen. Sie haben ihm das Leben genommen, aber es war eine Lüge, dass er in Dachau umgekommen ist. In Wirklichkeit hat man ihn in Österreich, im Schloss Hartheim, ermordet. Das habe ich aber erst viel später erfahren. Es war schlimm für mich. Mein Vater ist für mich zwei Mal gestorben. Ein Mal als Kind, als die Urkunde, der Brief nach Hause gekommen ist, und dann als alte Frau. Da war ich schon 70 oder 72.“ (Ceija Stojka: Auschwitz ist mein Mantel, S. 21-22)

Während der dreitägigen Totenwache wurden – wenige Stunden vor dem Begräbnis – seine Frau und die sechs Kinder von der Gestapo verhaftet und nach Auschwitz verschleppt. Von 200 Angehörigen der Familie Horvath erlebten nur wenige das Kriegsende. Im Jahr 2003 verfasste die Historikerin Vera Habicht einen Beitrag über die Lebens- und Verfolgungsgeschichte von Karl Horvath für das Projekt „Gedächtnisbuch Namen statt Nummern“ in der Gedenkstätte Dachau.

Fotos von Opfern im Gedenkort Schloss Hartheim, links Karl Horvath (Foto: Andreas Pflock)
Fotos von Opfern im Gedenkort Schloss Hartheim, links Karl Horvath (Foto: Andreas Pflock)

Erst durch ihre Recherchen erfuhren die Familienangehörigen von den wirklichen Hintergründen seines Todes. Im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim erinnern heute auf Glaswänden im ehemaligen Aufnahmeraum rund 23.000 Namen an die dort ermordeten Menschen, einer davon zusammen mit einem Foto an Karl Wackar Horvath.

Quellenangaben

Brettl, Herbert: Quellen zur Geschichte der „Zigeunerpolitik” zwischen 1921 und 1945 im Bezirk Neusiedl am See, Oberwart 2007.
Gerhardus, Sabine/Mensing, Björn (Hrsg.): Namen statt Nummern. Dachauer Lebensbilder und Erinnerungsarbeit, Leipzig 2007, S. 105.
Habicht, Vera: Gedächtnisblätter Dachau, Eintrag zu Karl Horvath, Wien 2003.
Stojka, Ceija: Auschwitz ist mein Mantel. Bilder und Texte, Wien 2008.
Stojka, Ceija: Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin, Wien 1988.

Karl Horvath, Lebensspuren Schloss Hartheim, URL: https://lebensspuren.schloss-hartheim.at/index.php/2-biografie/21-karl-horvath am 13.11.2022
https://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/kurzbiografie/haeftlinge-im-portraet-karl-wacker-horvath/ am 13.11.2022

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