Würzburg, Theresia-Winterstein-Straße

Straßenbenennung zur Erinnerung an die Sintiza und Bürgerrechtlerin
  • Detailansicht des Straßenschildes mit Legende (Foto: Wikimedia/Katsumo)
  • Ansprache von OB Christian Schuchardt (Foto: Gemeinschaft Sant'Egidio)
  • Feierliche Enthüllung des Straßenschildes (Foto: Archiv Dokuz/Jonathan Mack)
  • (v.l.n.r.): Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Margitta Steinbach von Amcha Deutschland e.V., Rita Prigmore und Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma (Foto: Stadt Würzburg/Georg Wagenbrenner)
  • Detailansicht des Straßenschildes (Foto: Archiv Dokuz/Jonathan Mack)

Beschreibung

Die Theresia-Winterstein-Straße befindet sich im Würzburger Stadtbezirk „Frauenland“, unweit des Würzburger Südbahnhofs und rund zwei Kilometer süd-östlich der historischen Stadtmitte. Sie befindet sich zwischen der Behrstraße im Norden und der Brettreichstraße im Süden.

Am Straßenschild wurde eine Legende mit folgenden Informationen angebracht: „geb. 1921, gest. 2007, Sängerin, Tänzerin, Gründerin einer Frauenorganisation, Überlebende des NS-Völkermordes an Sinti und Roma“.

Entstehung

Bei gemeinsamen Gesprächen zwischen Anwohnerinnen und Anwohnern, Nachkommen der bisherigen Namensgeber und dem Würzburger Stadtrat entstand bereits im Jahr 2015 die Idee, vier Straßen im Stadtbezirk „Frauenland“ umzubenennen. Diese trugen die Namen von Männern, die in das Unrechtsregime des Nationalsozialismus verstrickt waren: Heiner-Dikreiter-Weg, Nikolaus-Fey-, Hermann-Zilcher- und Schadewitzstraße.

Insgesamt wurden in Würzburg zwischen 2016 und 2020 rund 120 Straßennamen durch eine eigens dafür vom Stadtrat eingesetzte „AG Straßenbenennung“ überprüft. Die bisherige Hermann-Zilcher-Straße wurde auf Stadtratsbeschluss vom 20. Oktober 2022 mit nur zwei Gegenstimmen der AfD in Theresia-Winterstein-Straße umbenannt.

Theresia Winterstein wurde von den Nationalsozialisten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Sinti verfolgt und zwangssterilisiert. Sie hatte sich zudem in der Nachkriegszeit in der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma engagiert und maßgeblich für die Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma eingesetzt.

Die Anbringung eines erläuternden Legendenschildes mit ihren Lebensdaten fand im Rahmen einer Feierstunde am 29. März 2023 in Anwesenheit des Würzburger Oberbürgermeisters Christian Schuchardt, des Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sowie der Tochter der verstorbenen Theresia Winterstein, Rita Prigmore, statt.  Zahlreiche weitere Familienangehörige, Mitglieder des Stadtrats sowie prominente Persönlichkeiten, darunter der Vorsitzende des Bayerischen Landesverbands der Sinti und Roma, Erich Schneeberger, Dr. Niels Weise vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, der Kulturreferent Achim Könneke und der Leiter des Stadtarchivs, Dr. Axel Metz, waren anwesend.

Oberbürgermeister Christian Schuchardt würdigte in seiner Ansprache das Wirken der Namensgeberin und betonte die gegenwartsbezogene Bedeutung der Straßenbenennung:
„Heute sind antiziganistische Vorurteile und Ressentiments bis in der Mitte unserer Gesellschaft nach wie vor stark verbreitet. Sinti und Roma sind besonders stark von rassistischer Diskriminierung betroffen. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Wir alle sind dazu aufgerufen, eben entschieden Haltung zu zeigen, Zivilcourage zu zeigen, zu widersprechen oder auch einzugreifen, wenn Menschen wegen ihrer Abstammung, ihrer Herkunft ausgegrenzt und benachteiligt werden, beleidigt oder tätlich angegriffen werden. Mit der Benennung dieser Straße nach Theresia Winterstein setzen wir ein öffentliches Zeichen gegen RassismusRassismus Rassismus ist eine Form von Diskriminierung, bei der Menschen nicht als Individuen, sondern als Teil einer einheitlichen Gruppe mit bestimmten (meist negativen) Merkmalen und Charaktereigenschaften angesehen werden. Durch Rassismus wurden und werden Menschen aufgrund der realen oder vorgestellten Zugehörigkeit (beispielsweise zu einer Volksgruppe, Nationalität etc.) oder aufgrund äußerer Merkmale, einer bestimmten Religion oder Kultur vorverurteilt, ausgegrenzt, benachteiligt, unterdrückt, gewaltsam vertrieben, verfolgt und ermordet. und für eine offene Gesellschaft, in der alle Menschen unabhängig von ihrer Abstammung und Herkunft, kulturellen Prägung und religiöser Überzeugung unterschiedslos Respekt und Wertschätzung erfahren, aber wir würdigen gleichermaßen auch die Künstlerin Theresia Winterstein.“

Romani Rose dankte der Stadt Würzburg, die sich mit der Benennung bewusst ihrer Geschichte gestellt habe, und skizzierte das Leben und bürgerrechtliche Engagement von Teresia Winterstein:
„Theresia Winterstein erkämpfte sich ab 1953 eine Entschädigung. Ihre Tochter Rita Prigmore erhielt nach jahrzehntelangen, entwürdigenden Auseinandersetzungen mit den deutschen Behörden eine Entschädigung ab Ende der 1980er Jahre auf Grund der schweren gesundheitlichen Schäden, die ihr ganzes Leben prägten. […] Hierfür möchte ich auch meinen Respekt für das unermüdliche Engagement von Theresia Winterstein in der Bürgerrechtsbewegung ausdrücken, die sich für die Anerkennung und Erinnerung an die NS-Verbrechen einsetzte. Theresia Winterstein war es bei der Aufklärung über die NS-Verbrechen immer wichtig, die Hand auszustrecken an die Nachkriegsgenerationen. Sie sprach sich immer für Verständigung und Versöhnung aus. Auch dir, liebe Rita Prigmore, möchte ich meine Anerkennung aussprechen, dass du das Lebenswerk deiner Mutter aufgegriffen hast und dich weiter für Aufklärung und Versöhnung einsetzt."

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Pressemitteilung der Stadt Würzburg „Gedenken an Theresia Winterstein“ vom 30.03.2023
Sitzungsprotokoll des Würzburger Stadtrates vom 20. Oktober 2002, https://www.wuerzburg.sitzung-online.de/BI/to020.asp?TOLFDNR=42897 am 10.10.2024
Wagenbrenner, Georg: In Gedenken an Theresia Winterstein. Straße erinnert an dunkelstes Kapitel der Stadtgeschichte und eine starke Persönlichkeit, in: Eckhart. Informationen aus dem Würzburger Rathaus, Ausgabe Mai 2023, S. 6-14

Wir danken der Stadt Würzburg/Georg Wagenbrenner, Jonathan Mack und der Gemeinschaft Sant'Egidio für die Nutzungsmöglichkeit der hier verwendeten Fotos.

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und akzeptiert.