Beschreibung
Der Löwenplatz befindet sich im nördlichen Teil der Fürther Altstadt, unweit der Stadthalle und des Rathauses und etwa 1,4 Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt. Seine Namensgebung wurde abgeleitet von dem im 19. Jahrhundert dort betriebenen Wirtshaus „Zum goldenen Löwen“. Im Zuge eines großflächigen Abrisses von Altbausubstanz und der anschließenden Neubebauung wurde das Areal in den 1970er Jahren völlig verändert und überbaut. Erhalten blieb dabei allein die Bezeichnung des Platzes.
Das etwa 2,10 Meter hohe und 50x50 Zentimeter breite Denkmal in Form einer Stele wurde aus Eifel-Basalt gefertigt und im unteren, östlichen Bereich des Platzes – unmittelbar neben einer Brunnenanlage – platziert. Das Material wurde vom Steinmetzbetrieb Stutzmann passend zu den vorhandenen Gestaltungselementen des Platzes ausgewählt. Die Inschrift wurde durch acht Zentimeter hervorstehende Buchstaben gestaltet und lautet: „Zum Gedenken an die Fürther Sinti, die dem nationalsozialistischen VölkermordVölkermord Bezeichnung für die vorsätzliche Ermordung, Ausrottung oder anderweitige Vernichtung von Volksgruppen aufgrund ihrer vermeintlich rassischen, ethnischen oder sozialen Merkmale, ihrer Nationalität oder religiösen Überzeugungen. 1948 verabschiedeten die Vereinten Nationen einen völkerrechtlichen Vertrag über die Verhütung und die Bestrafung von Völkermorden. in Auschwitz und anderen Vernichtungslagern zum Opfer fielen”.
Mindestens 40 Fürther Sinti wurden in der NS-Zeit verhaftet und zumeist nach Auschwitz deportiert: Angehörige der Familien Weggel, Mettbach, Turbanisch, Bäumler und Rosberger. Ihre Namen und Schicksale wurden vom Historiker Ulli Schlee recherchiert. Nachweisbar ist u.a., dass acht Sinti am 8. März 1943 in Fürth verhaftet und bis zu ihrer DeportationDeportation Bezeichnung für die zwangsweise Um- oder Aussiedlung von Menschen aus ihren Wohngebieten, zum Teil unter Androhung und Anwendung von Gewalt. Während der NS-Zeit wurden ganze Bevölkerungsgruppen wie Juden oder Sinti und Roma zunächst aus dem Deutschen Reich, dann auch aus dem übrigen Europa, in Sammellager, Gettos und Konzentrations- oder Vernichtungslager in die besetzten Ostgebiete deportiert und dort ermordet. Oft wurde dies auch zur Tarnung als "Evakuierung" bezeichnet. nach Auschwitz am 16. März 1943 im Nürnberger Gefängnis festgehalten wurden. Von den deportierten Männern, Frauen und Kindern überlebten nur wenige.
Entstehung
Die Anregung zur Errichtung eines Erinnerungszeichens für die Fürther Sinti ging vom „Fürther Sozialforum“ und weiteren Organisationen aus, die sich im April 2019 mit ihrem Anliegen an den in Nürnberg ansässigen bayerischen Landesverband Deutscher Sinti und Roma wandten. Auslöser war eine Veranstaltungsreihe, die der Verband im Jahr 2018 zum 75. Jahrestag der Deportation der Sinti durchgeführt hatte. In einem Schreiben an den Fürther Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung am 23. Mai 2019 griff der Landesverband diese gesellschaftliche Initiative auf. Er regte die Errichtung eines städtischen Erinnerungszeichens an und bat um einen persönlichen Austausch.
Bereits beim darauffolgenden Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des Landesverbands, Erich Schneeberger, und dem Oberbürgermeister am 24. Juli 2019 fiel die gemeinsame Entscheidung für den Löwenplatz als Standort eines Erinnerungszeichens. Ausschlaggebend war hierbei die zentrale Lage des öffentlich stark frequentieren Platzes im Herzen der Stadt, nur wenige Gehminuten vom Fürther Rathaus und dem 1986 in der unmittelbar angrenzenden Geleitsgasse errichten Denkmal zur Erinnerung an das zerstörte jüdischen Gemeindezentrum.
Auf Beschluss des Ältestenrats der Stadt Fürth vom 14. Oktober 2019 wurden zur Realisierung des Denkmals 10.000 Euro im städtischen Haushalt bereitgestellt. Nachdem die Stadt den Steinmetzbetrieb Stutzmann mit der Gestaltung beauftragte hatte, lag Ende des Jahres 2020 eine grobe Entwurfsskizze vor. Mitte Januar 2021 begann die endgültige Gestaltung. Am 8. Mai 2021, dem Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, konnte das Denkmal feierlich eingeweiht werden. Aufgrund der Corona-Pandemie und der geltenden Einschränkungen war dies jedoch nur in kleinem Kreis und ohne öffentliche Einladungen möglich: An der Seite von Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung nahmen Erich Schneeberger und Roberto Paskowski (Vorsitzender und stellv. Vorsitzender des bay. Landesverbands der Sinti und Roma), die Bildhauer Peter Stutzmann und Angela Stutzmann-Häuser sowie Vertreterinnen und Vertreter der Stadtratsfraktionen an der Zeremonie teil.
Erich Schneeberger schilderte in seiner Ansprache die historischen Hintergründe der Verfolgung der Fürther Sinti und skizzierte die Diskriminierung und Kriminalisierung der Überlebenden durch Behörden, Politik und Gesellschaft in der Nachkriegszeit. Neben dem Dank an alle Beteiligten betonte er: „Manche fragen sich, wozu es heute noch eines neuen Mahnmals bedürfe. Ihnen muss ich erwidern, dass es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie so notwendig war wie heute, an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu erinnern. Das Attentat von Hanau vom 19. Februar 2020, dem drei Angehörige unserer Minderheit – darunter eine schwangere Frau und Mutter von zwei Kindern – zum Opfer fielen, macht uns auf fürchterliche Weise bewusst, wie weit Rechtsextremisten zu gehen bereit sind. Nie darf in Vergessenheit geraten, wohin es führen kann, wenn – wie einst in der Weimarer Republik – die Demokraten sich nicht geschlossen Rassisten und rechtsextremen Hetzern entgegenstellen!“
Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung schloss seine Ansprache mit den Worten: „Möge die Stele uns allen, wie auch das neue Mahnmal an der Uferpromenade, in Erinnerung an die Opfer von Hass, Unterdrückung und Gewalt beständige Mahnung und Auftrag für Frieden, Menschlichkeit, Offenheit und Demokratie in Fürth, in Deutschland und der ganzen Welt sein.“
Gestaltung
Mit der Gestaltung der Stele wurde der Steinmetz- und Bildhauer-Betrieb Stutzmann beauftragt. Peter Stutzmann wurde 1975 im nordrhein-westfälischen Marl geboren und lebt seit 1989 in Fürth. Nach seiner Ausbildung zum Steinmetz und Steinbildhauer machte er sich selbstständig und arbeitet als Steinmetz, Bildhauer und Restaurator.
Mit dem europäischen Programm „Leonardo“ bildete er sich 1998 zu Vergoldungstechniken im spanischen Córdoba fort. 2001 erhielt er den Kulturförderpreis der Stadt Fürth und studierte anschließend an der Akademie für Bildende Künste in Nürnberg. 2002 gründete er das „Laboratorium für Bildende Kunst“ (LBK), das sensible Instandsetzungen von Sandsteinoberflächen an Baudenkmälern durchführt. 2007 erhielt Peter Stutzmann die Anerkennung der Handwerkskammer als Steinmetz und Bildhauer und beschäftigt seit 2009 einen angestellten Steinmetzgesellen. Gemeinsam mit seiner Schwester Angelika Stutzmann-Häuser führt er die „Stutzmann Steinmetz und Bildhauer GbR“.
Quellenangaben
Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte
https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php/Mahnmal_zum_Gedenken_an_die_F%C3%BCrther_Sinti am 12.01.2024
https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php/Peter_Stutzmann am 12.01.2024
https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php/Löwenplatz_(ehemals) am 12.01.2024
Leberzammer, Armin: Der vergessene Völkermord, Fürther Nachrichten 10.05.2021/Nordbayern online 11.05.2021
Stele erinnert an die Ermordung von Fürther Sinti, Fürther Stadtnachrichten Nr. 10 vom 26. Mai 2021, S. 8
Auskunft des Verbands Deutscher Sinti und Roma Landesverband Bayern vom 11. Dezember 2023
Kurzzusammenstellung Vermögenshaushalt 2020 des Stadtrats Fürth
Wir danken Markus Metz (Landesverband Deutscher Sinti und Roma Bayern) für die zur Verfügung gestellten Informationen und die freundliche Unterstützung sowie Kamran Salimi und Wolfgang Händel für die freundliche Nutzungserlaubnis ihrer Fotoaufnahmen.