Hannover, Bahnhof Linden/Fischerhof

Informations- und Erinnerungstafel Deportationsort Bahnhof Fischerhof
  • Nördlicher Teil der Stadtbahn-Haltestelle mit darüberliegender S-Bahn-Station (Foto: Andreas Pflock)
  • Schaukasten mit der Informations- und Erinnerungstafel (Foto: Andreas Pflock)
  • Südlicher Teil des Hochbahnsteigs am Ricklinger Stadtweg, mittig im Hintergrund die Informations- und Erinnerungstafel (Foto: Andreas Pflock)

Kurzinformation

Informations- und Erinnerungstafel Deportationsort Bahnhof Fischerhof

Beschreibung

Die Informations- und Erinnerungstafel befindet sich auf dem südlichen Teil des Hochbahnsteigs der Stadtbahn-Haltestelle „Hannover-Linden/Fischerhof“, unmittelbar vor dem Aufgang zu den Bahngleisen der 2006 eröffneten gleichnamigen S-Bahn-Station und rund 3 Kilometer süd-westlich des Hauptbahnhofs der Landeshauptstadt Hannover.

Die Tafel ist Teil eines Programms der städtischen Erinnerungskultur, bei dem Informationstafeln auf die Geschichte von authentischen Orten aufmerksam machen. Insgesamt wurden bisher 15 dieser Informations- und Erinnerungstafeln im hannoverschen Stadtgebiet aufgestellt. Sie geben Auskunft über die Geschichte des Ortes, das frühere Aussehen der Örtlichkeiten und den geschichtlichen Hintergrund sowie über Personen, deren Schicksal mit diesem Ort verbunden war.

Die Tafel an der Stadtbahn-Haltestelle erinnert an den ehemaligen rund 300 Meter weiter westlich gelegenen Personen- und Güterbahnhof „Linden Fischerhof“. Sein Name verweist darauf, dass sich hier ursprünglich ein Bauernhof mit Fischteichen befand. Aufgrund seiner abgelegenen Lage wurde der Bahnhof in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1941 bei den Deportationen der Hannoveraner Juden wie auch Sinti und Roma genutzt. Zudem endeten hier zahlreiche Transporte mit KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit".-Häftlingen, die im Stadtgebiet zur ZwangsarbeitZwangsarbeit Bezeichnung für die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft ohne oder mit nur sehr geringer Bezahlung. Das nationalsozialistische Deutschland schuf mit insgesamt über 12 Millionen Zwangsarbeiter*innen eines der größten Zwangsarbeitssysteme der Geschichte. Neben Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen wurden Millionen von Zivilisten aus besetzten Staaten Europas größtenteils verschleppt und von der deutschen Industrie als Zwangsarbeiter*innen missbraucht. in der Rüstungsindustrie eingesetzt wurden. Die Tafel schildert die Deportationen von Juden und Sinti und Roma, benennt dabei verantwortliche Täter und stellt exemplarische Schicksale Deportierter vor, u.a. die Sinti-Familie Fischer sowie die Gruppe der Sinti-Kinder Ida und Hulda Kreutz, Gisela Kümmer und Helga Diesenberg.

Entstehung

Die Informations- und Erinnerungstafel entstand auf Anregung der Stadtbezirksräte von Linden-Limmer und Ricklingen. Initiiert wurde dies durch Anträge der SPD-Bezirksratsfraktionen in den beiden Stadtteilen am 22. und 23. Mai 2007. Ursprüngliches Ansinnen dabei war der Vorschlag zu prüfen, ob das Denkmal für die DeportationDeportation Bezeichnung für die zwangsweise Um- oder Aussiedlung von Menschen aus ihren Wohngebieten, zum Teil unter Androhung und Anwendung von Gewalt. Während der NS-Zeit wurden ganze Bevölkerungsgruppen wie Juden oder Sinti und Roma zunächst aus dem Deutschen Reich, dann auch aus dem übrigen Europa, in Sammellager, Gettos und Konzentrations- oder Vernichtungslager in die besetzten Ostgebiete deportiert und dort ermordet. Oft wurde dies auch zur Tarnung als "Evakuierung" bezeichnet. der Sinti und Roma und Juden am ehemaligen Bahnhof Fischerhof in den Bereich der neugeschaffenen Umsteigeanlage (Stadtbahn zu S-Bahn) verlegt werden könnte. Damit sollte dem Denkmal eine stärkere öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwerden, da es durch die Errichtung der neuen Umsteigeanlage „ins Abseits“ geraten war.

Unter Beteiligung des Niedersächsischen Verbands Deutscher Sinti e.V. fiel Anfang Juni 2007 die Entscheidung, von einer Umsetzung des Gedenksteins abzusehen. Hauptargument dabei war vor allem die Befürchtung, dass der Stein Beschmierungen und Vandalismus ausgesetzt sein könnte. Alternativ befürworteten die Beteiligten die Errichtung einer zusätzlichen Informationstafel, die „u.a. über den Sammelort am historischen Bahnhof Fischerhof vor der Deportation und ggf. die Entfernung zwischen altem Bahnhof und neuer Umsteigeanlage informiert“. Ende Juli 2009 waren historische Recherchen durch das Stadtarchiv sowie der Entwurf für das Plakat abgeschlossen, das in einem Schaukasten angebracht werden konnte. Unterstützt wurde das Vorhaben vom städtischen Fachbereich Bildung und Qualifizierung, dem Stadtarchiv Hannover, dem Historischen Seminar der Leibniz-Universität-Hannover und Dr. Hans-Dieter Schmid sowie den Hannoveraner Verkehrsbetrieben Üstra. Gestaltet wurde die Tafel von der Grafikerin Rita Helmke-Steinert.

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Stadtbezirksrats Linden-Limmer am 13.06.2007, TOP 5.5.4 Entscheidung: Umsetzung des Mahnmals zum Gedenken an die Deportation von Sinti und Roma während der Herrschaft der Nationalsozialisten, https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/15-1366-2007S3 am 22.7.2024

Wir danken dem ZeitZentrum Zivilcourage der Stadt Hannover (Dr. Florian Grumblies) für die freundliche Unterstützung.

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