Trier, Bischof-Stein-Platz

Denkmal für die aus Trier deportierten und ermordeten Sinti und Roma
  • Denkmal mit dem Trierer Dom im Hintergrund (Foto: Clas Steinmann)
  • Der Künstler Clas Steinmann, Oberbürgermeister Klaus Jensen, Landesverbandsvorsitzender Jacques Delfeld und Ministerpräsident Kurt Beck bei der Einweihungsfeierlichkeit (Foto: Landesverband RLP)
  • Gesamtansicht des Denkmals (Foto: Clas Steinmann)
  • Tafel mit Inschrift (Foto: Clas Steinmann)
  • Tafel in Blindenschrift (Foto: Clas Steinmann)
  • Eine der Tafeln mit QR-Code (Foto: Clas Steinmann)

Kurzinformation

Denkmal für die aus Trier deportierten und ermordeten Sinti und Roma

Beschreibung

Das Denkmal befindet sich inmitten der Trierer Altstadt, gegenüber der Nordseite des Trierer Doms am Übergang der Windstraße auf den Bischof-Stein-Platz. Es besteht aus sechs 60 x 20 x 300 cm großen und türkis patinierten Bronzeblechstelen, die im gleichmäßigen Abstand von einem Meter ohne Sockelzone und linear aufgestellt wurden. Sie folgen zudem der trompetenartigen Erweiterung der Windstraße im nordwestlichen Bereich des Platzes. In die Stirnseiten der Stelen wurden flache Nischen mit unterschiedlichen, austauschbaren Reliefs aus Bronze integriert. Die ornamental wirkenden Tafeln enthalten drei QR-Codes mit Verlinkungen zu vertiefenden Informationen des Landesverbands Rheinland-Pfalz und des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma zur Verbandsarbeit sowie zur Geschichte und Kultur der Sinti und Roma. Drei weitere Tafeln enthalten zwei Inschriften sowie deren zusammenfassende Übersetzung in Blindenschrift.

Die Texte lauten:

„Die Würde aller Menschen ist unantastbar.
Zum Gedenken an die während der Zeit des Nationalsozialismus deportierten Sinti und Roma.
Männer, Frauen und Kinder unserer Stadt wurden aus ihrer Heimat in die KonzentrationslagerKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". deportiert und ermordet.“

„Förderer dieses Denkmals:  
Trierer Bürgerinnen und Bürger
Die Stadt Trier
Das Bistum Trier
Kulturstiftung Sparkasse Trier
Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur“

Entstehung

Die Initiative zur Errichtung des Denkmals ging vom Landesverband Deutscher Sinti und Roma Rheinland-Pfalz aus. Nachdem dieser in Trier im September 1998 seine Ausstellung „Die Überlebenden sind die Ausnahme“ zeigen konnte, wandte sich dessen Vorsitzender Jacques Delfeld in einem Schreiben am 7. Oktober 1998 an den Trierer Oberbürgermeister Helmut Schröer. Darin bat er darum, „aus Respekt vor den wenigen Überlebenden und als Mahnung für die jungen Menschen“ ein Mahnmal für die während des Nationalsozialismus aus Trier stammenden und ermordeten Sinti zu errichten. Der Oberbürgermeister trug das Anliegen Anfang 1999 in der Sitzung des Trierer Ältestenrates vor, der sich fraktionsübergreifend für die Errichtung eines Mahnmals aussprach. Damit war der Anfang für einen schließlich rund 12 Jahre langen Diskussions- und Entwicklungsprozess markiert.

Nach ersten Überlegungen über mögliche Standorte griffen Stadtvorstand und Ältestenrat die Diskussion zur Errichtung eines Denkmals im Sommer 2003 intensiv auf und schlugen als möglichen Standort einen Bereich hinter dem Trierer Dom vor. Am 8. Juli 2003 erläuterte der Trierer Oberbürgermeister dem Landesverband dazu: „Dies insbesondere vor dem Hintergrund des historischen Bezugs dieses Bereiches – dort befand sich das alte Gefängnis – und aus aktuellem Anlass, da dieser Bereich in den nächsten Jahren für eine umfassende Neugestaltung vorgesehen ist und sich daher die Errichtung eines Mahnmals in diese Maßnahme integrieren ließe. Nach der bisherigen Entwurfsidee soll dieser Bereich zu einer Rückzugs- und Ruhefläche umgestaltet werden, ganz an der Bedeutung des Domumfeldes orientiert.“

Die gesamten Umgestaltungsarbeiten, zu denen u.a. auch der Umbau des ehemaligen Gefängnisses zum „Museum am Dom“ gehörte, verzögerten sich und erwiesen sich als finanziell sehr anspruchsvolle Maßnahme. So konnte die Stadt eine Realisierung des Denkmals schließlich erst für den Zeitraum 2008/2009 in Aussicht stellen. Nachdem Bedenken des Domkapitels ausgeräumt werden konnten, das eine Verbindung zwischen der Verfolgung der Sinti und dem Namensgeber des neuen Platzes, Bischof Bernhard von Stein, befürchtete, gründete die Stadt eine Arbeitsgruppe, um den Prozess der Denkmalserrichtung zu begleiten. Das Gremium mit Vertretern der Hohen Domkirche, der Stadt Trier, der Fachhochschule Trier und des Landesverbands der Sinti und Roma kam zu seiner ersten Sitzung am 17. September 2009 unter Leitung des städtischen Baudezernats zusammen. 

Nachdem die Grundsatzentscheidung über den genauen Standort vor einer Mauerfläche gegenüber des Doms gefallen war, erfolgte durch die Stadt Trier Ende September 2010 die Auslobung eines begrenzten Wettbewerbs mit den 6 Teilnehmenden Guy Charlier, Thomas Föhr, Wolfang Rüppel, Franz Schönberger, Carmen Stahlschmidt und Prof. Clas Steinmann. In Vertiefung eines Kolloquiums für die beteiligten Künstler*innen am 22. Oktober konnte am 9. November 2010 ein Besuch des Heidelberger Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma organisiert werden. Dabei standen sowohl die Verfolgungsgeschichte der Minderheit in der NS-Zeit wie auch die beispielhafte Vorstellung von bestehenden Erinnerungszeichen an den VölkermordVölkermord Bezeichnung für die vorsätzliche Ermordung, Ausrottung oder anderweitige Vernichtung von Volksgruppen aufgrund ihrer vermeintlich rassischen, ethnischen oder sozialen Merkmale, ihrer Nationalität oder religiösen Überzeugungen. 1948 verabschiedeten die Vereinten Nationen einen völkerrechtlichen Vertrag über die Verhütung und die Bestrafung von Völkermorden. auf der Agenda.

Am 16. März 2011 trat die Wettbewerbsjury (Vertreter von Stadt, Landesverband, Architekten und Hoher Domkirche) zusammen und gelangte nach einer Präsentationsphase der Wettbewerbsteilnehmenden und anschließender Diskussion abschließend zu der Überzeugung, „dass alle Arbeiten gerade durch die Vergleichsmöglichkeit so unterschiedlich angebotener Lösungen einen wesentlichen Beitrag zur Findung einer guten Antwort auf der Suche nach dem gewünschten Gedenkort darstellen. […] Das Preisgericht […] kommt einstimmig zu der Auffassung, dass das Projekt von Prof. Clas Steinmann zu weiteren Umsetzung beauftragt werden soll.“

Zur Deckung der anberaumten Baukosten in Höhe von rund 75.000 Euro riefen die Stadt Trier und der Landesverband der Sinti und Roma eine gemeinsame Spendenaktion ins Leben, so dass die Gesamtfinanzierung Ende 2011 abgeschlossen und der Künstler mit der Realisierung beauftragt werden konnte. Gefördert wurde das Denkmal von zahlreichen Trierer Bürgerinnen und Bürgern, der Stadt, dem Bistum und der Kulturstiftung der Sparkasse in Trier sowie der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur.

Die landesweite Bedeutung des Denkmals wurde durch die Ankündigung des Ministerpräsidenten Kurt Beck unterstrichen, persönlich an der Einweihungsfeierlichkeit teilnehmen zu wollen, um auf diese Weise seine besondere Verbundenheit mit den in Rheinland-Pfalz beheimateten Sinti und Roma zum Ausdruck bringen zu können. An der Einweihungsfeierlichkeit, der Angehörige der Trierer Sinti-Familien und zahlreiche Bürgerinnen und Bürger beiwohnten, wirkten neben dem Ministerpräsidenten Kurt Beck der Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen, der Domprobst Werner Rössel und der Vorsitzende des Landesverbands Jacques Delfeld mit. 

Jacques Delfeld betonte in seiner Ansprache: „Die Realisierung dieses Gedenkortes ist das Zeugnis für den Willen der politisch Verantwortlichen und einer Trierer Bürgerschaft, die nationalsozialistischen Völkermordverbrechen an unserer Minderheit in das historische Gedächtnis der Bundesrepublik einzubeziehen. Und das ist wichtig – gerade auch in unserer heutigen Zeit. […] Jeder ist aufgefordert, bei Ausgrenzung und Beleidigung gegenüber Minderheiten einzuschreiten und keine Menschenrechtsverletzungen zu dulden. Das heißt eben auch, Courage zu zeigen und die Stimme gegen RassismusRassismus Rassismus ist eine Form von Diskriminierung, bei der Menschen nicht als Individuen, sondern als Teil einer einheitlichen Gruppe mit bestimmten (meist negativen) Merkmalen und Charaktereigenschaften angesehen werden. Durch Rassismus wurden und werden Menschen aufgrund der realen oder vorgestellten Zugehörigkeit (beispielsweise zu einer Volksgruppe, Nationalität etc.) oder aufgrund äußerer Merkmale, einer bestimmten Religion oder Kultur vorverurteilt, ausgegrenzt, benachteiligt, unterdrückt, gewaltsam vertrieben, verfolgt und ermordet. und Diskriminierung zu erheben. Es bedeutet, sich bei Demonstrationen gegen den Rechtsextremismus zu stellen, den respektvollen Umgang mit allen Menschen im Lebensalltag einzufordern und die Würde jedes einzelnen Menschen zu schützen. Dass dies in Deutschland auch immer mehr Menschen tun, macht uns Mut. Es nimmt Angst und Unruhe aus unserem Leben, wenn wir hören, dass Aufmärsche von Nazis ins Leere laufen, weil sich so viele Menschen dagegenstellen. Und es macht auch Mut, dass Bürger hier für diesen Gedenkort gespendet haben. Ich danke allen, die mit dazu beigetragen haben.“

Als Vertreter für die Überlebenden des Völkermords sprach der im Konzentrationslager geborene Christian Pfeil über gegen ihn gerichtete rechtsextreme Angriffe und schloss seine Ansprache mit den Worten „Man kann verzeihen, darf aber nicht vergessen.“ ab. Die musikalische Umrahmung übernahmen Musiker des Philharmonischen Vereins der Sinti und Roma.

Gestaltung

In der Begründung für den Entwurf von Prof. Clas Steinmann formulierte die Wettbewerbsjury: „Der Verfasser entwickelt den Gedenkort aus der räumlichen und städtebaulichen Situation des neuen Platzes, an der Nahtstelle zwischen der Windstraße und der dort beginnenden Platzöffnung. Die vorgeschlagene Reihung von 6 monolithisch aufgefassten Bronze-Stelen ist verknüpft mit einem Kommunikationssystem mittels attraktiver neuer Medien (QR-Codes). Die Jury ist von der Idee einer zeitgenössischen Lösung innerhalb einer so intensiv von historischen Gebäuden gefassten Platzanlage überzeugt. An der Nahtstelle zwischen Straße und Platz öffnet und schließt die kleine Anlage aus 6 Stelen in gleichem Maße. Die hohe formale Qualität der Stelen in ihrer Reihung, ihren Proportionen und der zu erwartenden Farbigkeit wird an diesem Standort zu einer ‚Beruhigung‘ und einem ‚Stillehalten‘ führen, die dem Gedenkort gerecht wird. Die angebotene Informationsmöglichkeit ist auf Zukunft angelegt und wird vor allem für die heranwachsende Generation als Bereicherung gesehen.“

Clas (Klaus) Steinmann wurde 1941 in Gießen geboren und absolvierte sein Studium der Freien Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Als Meisterschüler umfasst sein künstlerisches Schaffen seitdem die Arbeitsfelder Zeichnung, Malerei, Plastik, Kunst am Bau und Künstlerbücher. Von 1972 bis 2006 war er Professor für Zeichnen und Gestaltung im Fachbereich Gestaltung an der Hochschule Trier (der früheren FH). Seine Werke präsentierte er seit 1968 in Einzelausstellungen (u.a. in Berlin, München, Mainz, Hannover, Koblenz, Trier, Essen, Manhattan/USA, Darmstadt und London) ebenso wie im Rahmen von Gruppenausstellungen u.a. in München, Mainz, New York, Dijon, Straßburg, Saarbrücken und Luxemburg. Clas Steinmann ist Mitglied im Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Rheinland-Pfalz, in der Gesellschaft für Bildende Kunst Trier und im Cercle Artistique de Luxembourg. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen im Bereich Zeichnung und Malerei, darunter den 1. Preis der British International Drawing Biennale Middlesbrough/England und den Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz für Malerei. Steinmann realisierte vielbeachtete Kunstprojekte im öffentlichen Raum, u.a. für das Landesmuseum Trier, die Universität Kaiserslautern, das Klinikum Mainz, die Universität Landau, die Stadt Pirmasens und das Max-Planck-Institut Potsdam. Zu einer seiner bekanntesten Arbeiten im Bereich „Kunst im öffentlichen Raum“ wurde das Denkmal für die ermordeten Trierer Sinti und Roma auf dem Bischof-Stein-Platz. Clas Steinmann lebt und arbeitet in Trier.

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte
Archiv des Verbands Deutscher Sinti & Roma – Landesverband Rheinland-Pfalz, Landau

https://www.classteinmann.com/ am 14.4.2020
https://public-art-trier.de/kuenstler/clas-steinmann/ am 14.4.2020

Wir danken Clas Steinmann für die freundliche Überlassung seiner Fotografien und für die Nutzungserlaubnis.

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