Moringen, Jugend-Konzentrationslager

Sinti und Roma im Jugend-Konzentrationslager
  • Beflaggte KZ-Kommandantur, undatiert (Foto: MRVZN Moringen)
  • Modell des Lagerkomplexes in der Gedenkstätte (Foto: Christina Hinzmann)

Kurzinformation

Sinti und Roma im Jugend-Konzentrationslager

1933 bis 1938: Männer- und Frauenkonzentrationslager

Lange vor der Einrichtung eines frühen Konzentrationslagers wurde im Jahr 1738 in der Moringer Ortsmitte ein Waisenhaus errichtet. Ab 1818 diente es als „Werkhaus“ dem Ziel u.a. arbeits- oder obdachlose Menschen dort zwangseinzuweisen, damit aus der Öffentlichkeit zu verdrängen und durch die erzwungene Verrichtung von Arbeit in „arbeitstätige“ und gesellschaftskonforme Menschen „umzuerziehen“. Das Moringer „Werkhaus“ bestand bis 1944, während nacheinander in Gebäudeteilen drei KonzentrationslagerKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". eingerichtet wurden.

Zunächst eröffnete das preußische Innenministerium im April 1933 dort eines der ersten „frühen“ Konzentrationslager im nationalsozialistischen Deutschland. Die Inhaftierten waren oppositionelle Männer und in einer gesonderten Abteilung wenige Frauen, die von den Nationalsozialisten als grundsätzliche Gegner*innen des neuen Regimes betrachtet wurden. Ziel der Inhaftierungen war es, den Widerstandswille der Gefangenen zu brechen. Wie fast alle der „frühen“ Konzentrationslager, existierte das Männer-Lager in Moringen nur kurze Zeit und wurde bereits im November 1933 aufgelöst. Die Häftlinge wurden entweder entlassen oder in andere Konzentrationslager überführt.

Aus der ursprünglichen „Frauen-Abteilung“ entstand in unmittelbarem Anschluss ein Frauen-Konzentrationslager, das mit Blick auf die historischen Zusammenhänge als Vorläufer des späteren zentralen Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück angesehen werden kann. Neben u.a. politischen Gefangenen, jüdischen Insassinnen aber auch Frauen, die einen unerlaubten Schwangerschaftsabbruch hatten durchführen lassen, bildeten die Zeuginnen Jehovas die größte Gruppe der Inhaftierten. Das Frauen-KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". wurde 1938 aufgelöst und die Insassinnen in das neue Frauenlager in der Lichtenburg bei Prettin an der Elbe gebracht.

Jugend-Konzentrationslager

Die Idee zur Errichtung von Jugend-Konzentrationslagern, von den Nationalsozialisten verharmlosend als „Jugendschutzlager“ oder „Jugenderziehungslager“ bezeichnet, stammte aus den Reihen der Kriminalpolizei. Die Kripo war seit 1936 zusammen mit der Gestapo dem „Reichsführer SSSchutzstaffel Die Schutzstaffel (kurz: SS) war 1925 als persönliche Leibwache Hitlers gegründet worden. Den höchsten Dienstgrad innerhalb der SS stellte seit 1934 der „Reichsführer SS“ dar. Bis 1945 nahm Heinrich Himmler diese Position ein. Unter seiner Leitung wurde die SS zu einer Eliteeinheit aufgebaut, die zum zentralen Instrument des staatlichen Terrors wurde. Die SS hatte im Rahmen der „Endlösung“ maßgeblichen Anteil am Völkermord an den europäischen Juden sowie den Sinti und Roma. und Chef der deutschen Polizei“, Heinrich Himmler, unterstellt und entwickelte sich zunehmen zu einem wesentlichen Teil des NS-Verfolgungsapparats. Auf Anregung von Reinhard Heydrich, dem Chef der Sicherheitspolizei und des SDSicherheitsdienst Der Sicherheitsdienst (kurz: SD) wurde 1931 als Nachrichtendienst der zur NSDAP gehörenden SS gegründet. Ab 1939 war der SD Teil des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA). Der Sicherheitsdienst war für die Ermittlung von Gegnern der Nationalsozialisten zuständig und wurde zur Einschüchterung der Bevölkerung eingesetzt. Er sammelte mit großem Aufwand Informationen über Personen und Stimmungen in der Bevölkerung und wertete diese aus. Aufgrund der Aktivitäten des SD konnte die Geheime Staatspolizei schließlich die Gegner des NS-Staates verhaften und verfolgen., wurde im August 1940 in Moringen schließlich das erste Konzentrationslager für männliche Jugendliche eröffnet. Für die Ortswahl sprach die vorausgegangene Nutzung von Teilen des Werkhauses als KZ. Zur Inhaftierung von Mädchen und jungen Frauen diente ab 1942 das Jugend-KZ Uckermark, das in unmittelbarer Nähe zum Konzentrationslager Ravensbrück entstand.

In die Jugend-Konzentrationslager wurden Mädchen und Jungen gebracht, die nicht den Vorstellungen und Idealen der nationalsozialistisch geprägten Jugend und Gemeinschaft entsprachen. Gründe dafür fanden sich zahlreiche: die Diffamierung als „faul“, „unnütz“ oder „asozial“ und „ungehorsam“ ebenso wie rassische Gründe oder die Begeisterung für „undeutsche“ Swing-Musik, eine oppositionelle Haltung gegen das NS-RegimeRegime Meist abwertende Bezeichnung für eine Herrschafts- oder Regierungsform. oder Homosexualität. Die in Moringen inhaftierten Jungen waren zwischen 13 und 22 Jahren alt und stammten sowohl aus Deutschland wie auch aus den besetzten Ländern. Die Wahrscheinlichkeit, von dort in die Freiheit entlassen zu werden, war gering. Es fanden Überstellungen in andere Konzentrationslager und auch Zwangssterilisierungen statt. Von rund 1.400 in Moringen inhaftierten Jungen starben mindestens 89, deren Tod von der SS registriert wurde. Die tatsächliche Anzahl der Opfer liegt vermutlich weitaus darüber. Als am 9. April 1945 amerikanische Soldaten die Stadt Moringen befreiten, fanden sie im Lager nur eine Gruppe von Kranken vor. Etwa 500 der inhaftierten Jungen waren zuvor auf einen Fußmarsch in Richtung Harz getrieben worden.

Lageralltag

Als Lagerkomplex diente zunächst ein mehrgeschossiges Steingebäude des Werkhauses. Aufgrund ansteigender Gefangenenzahlen wurde 1942 auf einer nördlich davon gelegenen Freifläche ein neues Barackenlager errichtet, das mit Stacheldraht und Wachtürmen umgeben war.

Die Unterbringung der Inhaftierten erfolgte in sogenannten Blöcken, die sich an einer Einteilung der Insassen nach angeblichen “Menschentypen” orientierte. So diente der “1. Block” zur Beobachtung von Neueingelieferten, der “G-Block" für “Gelegenheitsversager” und der “E-Block” für “Erziehungsunfähige”. Dieses auch für die Gefangenen nicht zu durchschauende System basierte auf den rassenbiologischen Vorstellungen von einer „erblich bedingten Kriminalität und Asozialität“ und wurde von Robert Ritter entwickelt. Ritter, der durch die rassische Erfassung von Sinti und Roma in den 1930er Jahren den Weg für deren Ausgrenzung und Ermordung bereitet hatte, war ab 1941 “Leitender Kriminalbiologe” im Jugend-KZ und setzte dort seine Erfassungen an den inhaftierten Jungen fort. In mindestens 22 Fällen führte seine Ergebnisse zu Zwangssterilisierungen, die in der Göttinger Universitätsklinik durchgeführt wurden.

Der Alltag der Jugendlichen war geprägt von ZwangsarbeitZwangsarbeit Bezeichnung für die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft ohne oder mit nur sehr geringer Bezahlung. Das nationalsozialistische Deutschland schuf mit insgesamt über 12 Millionen Zwangsarbeiter*innen eines der größten Zwangsarbeitssysteme der Geschichte. Neben Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen wurden Millionen von Zivilisten aus besetzten Staaten Europas größtenteils verschleppt und von der deutschen Industrie als Zwangsarbeiter*innen missbraucht., schlechter Ernährung und ständiger Gewalt durch die SS-Männer, die das Konzentrationslager bewachten und verwalteten. Die Organisation des Lagers orientierte sich an den Konzentrationslagern für Erwachsene. Jeder Tag war für die Jugendlichen streng durchgeplant. Im Vordergrund stand dabei die Zwangsarbeit, die die Jungen bis zu 16 Stunden am Tag verrichten mussten. Ihre Aufgaben waren dabei höchst unterschiedlich und reichten vom Bau von Autobahnen bis hin zur Produktion von Munition untertage. War man zu langsam oder machte Fehler, folgte sofort strenge Bestrafung. Dazu gehörten vor allem Prügel, Einzelhaft, Essenentzug oder Zwangsmärsche bis zur völligen körperlichen Erschöpfung. Die Kleidung der Gefangenen bestand aus einem dünnen Oberteil, einer ebenso schlichten Hose und Holzschuhen ohne Socken. Holzpritschen, die nur mit einem Strohsack gepolstert waren, dienten als Schlafplätze.

Sinti und Roma im KZ Moringen

Für 27 Jungen, die im Jugend-KZ inhaftiert waren, lässt sich eine Zugehörigkeit zur Gruppe der Sinti und Roma nachweisen, auch wenn sie im Lager keine eigene Häftlingsgruppe bildeten. Die ersten beiden von ihnen trafen dort im September 1940 ein. Im Jahr 1942, angesichts der sich radikalisierenden Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten gegen Sinti und Roma, waren es mindestens 19. Die meisten von ihnen hatten bereits vor ihrer Einlieferung nach Moringen staatliche und gesellschaftliche Ausgrenzungen und Repressalien erleben müssen. In den Haftbegründungen wurden vermeintliche soziale und rassistische Aspekte miteinander vermischt. Obwohl die Sinti- und Roma-Jungen in Moringen aus gleichen Gründen wie andere Jugendliche inhaftiert waren, wurde vor dem Hintergrund des rassistisch geprägten Denkens angenommen, dass sie aufgrund ihrer vermeintlichen „RasseRasse "Rasse" ist eine Kategorie aus der Biologie, die Lebewesen anhand ihrer Verwandtschaft zu Gruppen zusammenfasst. Vor allem im 19. und im frühen 20. Jahrhundert stellten Wissenschaftler Theorien auf, dass die Menschen biologisch in mehrere "Rassen" unterteilt werden und als höher- oder minderwertiger eingestuft werden könnten. Wissenschaftlich ist längst bewiesen, dass es keine unterschiedlichen menschlichen "Rassen" gibt. Im gesellschaftlichen Denken spielt die Vorstellung von vermeintlich biologischer Höher- oder Minderwertigkeit bestimmter Menschengruppen jedoch nach wie vor eine Rolle und bildete die Basis für Rassismus.“ nicht erziehbar und deshalb gleich in doppeltem Sinne „gemeinschaftsfremd“ seien. Ab dem Zeitpunkt ihrer Inhaftierung in Moringen waren sie Gefangene in einem System, das ihnen keine Chance und keinen Ausweg mehr ließ.

Biografische Überlieferungen zu ihren Lebensgeschichten sind ebenso wenig wie Zeitzeugeninterviews überliefert. Allerdings lässt sich ihr weiteres Schicksal teilweise rekonstruieren. So wurden beispielswiese 21 Jungen am 24. März 1943 mit einem Sammeltransport aus dem Deutschen Reich nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Für einige von ihnen konnte nachgewiesen werden, dass sie von Auschwitz in die Konzentrationslager Buchenwald, Natzweiler und Moringen gebracht wurden. Für alle in Moringen inhaftierten Jungen aus der Gruppe der Sinti und Roma galt: Moringen wurde für sie zu einer Zwischenstation auf dem leidvollen Weg durch die Konzentrationslager bis hin zu ihrem Tod.

Quellenangaben

Guse, Martin: Haftgrund: „Gemeinschaftsfremder“. Ausgrenzung und Haft von Jugendlichen im Jugend-KZ Moringen, in: „minderwertig“ und „asozial“. Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter, hrsg. von Sedlaczek, Dietmar/Lutz, Thomas/Puvogel, Ulrike/Tomkowiak, Ingrid, Zürich 2005, S. 127-156.
Sedlaczek, Dietmar: Nur eine Zwischenstation. Sinti und Roma im Jugend-KZ Moringen, in: Die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus, hrsg. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland, Bd. 14), Bremen 2012, S. 69-80.
Ders.: Zwangsarbeit im Jugend-KZ Moringen (1940-45). Ehemalige KZ-Häftlinge berichten, in: Leiden verwehrt Vergessen. Zwangsarbeiter in Göttingen und ihre medizinische Versorgung in den Universitätskliniken, hrsg. von Volker Zimmermann, Göttingen 2007, S. 165-184.

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und akzeptiert.