Augsburg, Nordfriedhof

Gedenktafel für die deportierten und ermordeten Augsburger Sinti und Roma
  • Gesamtansicht der Gedenktafel (Foto: Andreas Pflock)
  • Blick auf die Aussegnungshalle des Nordfriedhofs (Foto: Andreas Pflock)
  • Anbringungsort der Tafel im Verbindungsgang neben der Aussegnungshalle (Foto: Andreas Pflock)
  • Marcella Reinhardt und Andreas Hoffmann-Richter bei der Einweihung der Gedenktafel (Foto: Marcella Reinhardt)
  • Gedenktafel und Informationsflyer zur Tafel und ihrem Hintergrund (Foto: Andreas Pflock)
  • Detailansicht der Gedenktafel (Foto: Andreas Pflock)

Kurzinformation

Gedenktafel für die deportierten und ermordeten Augsburger Sinti und Roma

Beschreibung

Der Augsburger Nordfriedhof befindet sich rund 3,5 Kilometer nördlich von der historischen Innenstadt und vom Hauptbahnhof entfernt. Er entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts und umfasst eine Fläche von knapp 17 Hektar. In der Mitte der unter Denkmalschutz stehenden Anlage befindet sich die 1930 als Ziegelsteinbau errichtete Aussegnungshalle. In einem daran angrenzenden überdachten Verbindungsgang zur Leichenhalle wurde die Gedenktafel für die deportierten und ermordeten Augsburger Sinti und Roma angebracht.

Auf der Tafel wurde unter dem eingravierten Wappen der Stadt Augsburg folgende Inschrift angebracht:
„Zum Gedenken an alle deutschen Augsburger Sinti und Roma, die Opfer des Nationalsozialismus geworden sind. In Augsburg darf es in Zukunft keinen Platz für Diskriminierungen geben. Unrecht muss benannt werden, damit es uns berührt.“

In einem eingravierten Dreieck, das an die Kennzeichnung der Häftlinge in den Konzentrationslagern durch die SSSchutzstaffel Die Schutzstaffel (kurz: SS) war 1925 als persönliche Leibwache Hitlers gegründet worden. Den höchsten Dienstgrad innerhalb der SS stellte seit 1934 der „Reichsführer SS“ dar. Bis 1945 nahm Heinrich Himmler diese Position ein. Unter seiner Leitung wurde die SS zu einer Eliteeinheit aufgebaut, die zum zentralen Instrument des staatlichen Terrors wurde. Die SS hatte im Rahmen der „Endlösung“ maßgeblichen Anteil am Völkermord an den europäischen Juden sowie den Sinti und Roma. erinnern soll, wurde das Gedicht „Auschwitz“ des italienischen Rom Santino Spinelli platziert:

„Eingefallenes Gesicht
erloschene Augen
kalte Lippen
Stille
ein zerrissenes Herz
ohne Atem
ohne Worte
keine Tränen.“

Entstehung

Die Initiative für die Anbringung der Gedenktafel ging vom Regionalverband der Sinti und Roma Schwaben und dessen Vorsitzende Marcella Reinhardt im Jahr 2017 aus. Sie schlug vor, auf dem Nordfriedhof in unmittelbarer Nähe zu den Grabstätten von ehemals NS-verfolgen Sinti und Roma ein Erinnerungszeichen zu platzieren. Hintergrund für diese Standortüberlegung war der Bund-Länder-Beschluss vom 9. Dezember 2016 zum Erhalt der Grabstätten von unter der NS-Herrschaft verfolgten Sinti und Roma. Am 31. August 2017 sprach sich das Amt für Friedhofwesen für eine Umsetzung der Tafel aus. Auch der städtische Arbeitsbereich für Erinnerungskultur unterstützte das Anliegen und hielt im November 2017 fest: „Es bestehen sowohl ein lokaler historischer Bezug als auch eine allgemein anerkannte erinnerungskulturelle Notwendigkeit, an die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten zu erinnern.“ Nach grundsätzlicher Prüfung stimmte das Referat des Oberbürgermeisters am 2. Januar 2018 dem Vorhaben zu.

Der Standort weist eine hohe Symbolik auf, da sich auf dem Friedhof und in Sichtweite der Tafel zahlreiche Gräber von Sinti und Roma befinden, darunter allein 45 Menschen, die die Verfolgung in der NS-Zeit überlebten und hier später ihre letzte Ruhestätte fanden. Die Tafel soll nicht nur die Toten ehren und den Opfern Würde und Anerkennung zurückgeben, sondern auch deutlichen, dass Sinti und Roma ein Teil der Augsburger Stadtgesellschaft sind. Sie konnte durch eine großzügige Spende der Steinwelt Sebastian Wagner (der auch die Ausführung der Gestaltung übernahm) und finanzielle Mittel der Stadt Augsburg realisiert werden.

An der feierlichen Einweihung nahmen u.a. die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Claudia Roth, Reiner Erben vom städtischen Amt für Umwelt, Nachhaltigkeit und Migration, Helmut Riedl vom städtischen Friedhofswesen, Andreas Hoffmann-Richter als Beauftragter für die Zusammenarbeit mit Sinti und Roma der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und Stadtratsmitglieder teil. In Ihrer Ansprache betonte Marcella Reinhardt aus persönlicher Perspektive: „Mit dem Denkmal wollen wir mahnen, dass so etwas nie wieder passieren soll und erreichen, dass den verblichenen Opfern ein Stück Würde und Anerkennung zurückgegeben wird. Ich muss noch hinzufügen, dass diese Ansprache an diesem Ort und diesem Tag schwer für mich ist, aber es ist auch etwas ganz Besonderes. Hier sind Holocaust-Opfer bestattet, die ich alle gekannt habe, auch schon als kleines Kind. Meine Eltern liegen hier, und ich würde heute alles dafür geben, wenn sie alle hier stehen würden und es hören könnten, was wir heute zu sagen haben.“ Seit ihrer Einweihung im Mai 2018 bildet die Tafel den jährlichen Mittelpunkt der Gedenkfeiern zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma am 2. August und hat sich zu einem wichtigen Ort der Augsburger Erinnerungskultur entwickelt.

Gestaltung

Die Gestaltung des Gedenksteins erfolgte durch Sebastian Wagner und sein Unternehmen „Steinwelt“.

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Interview von Andreas Pflock mit Marcella Reinhardt vom 11. November 2021 im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma

Wir danken dem Regionalverband Deutscher Sinti und Roma Schwaben (Marcella Reinhardt) sowie der Fachstelle für Erinnerungskultur der Stadt Augsburg (Dr. Felix Bellaire) für die freundliche Unterstützung.

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und akzeptiert.