Barth, Chausseestraße

Denkmal für die Opfer des Außenlagers des KZ Ravensbrück
  • Eingangsbereich des Gedenkstättenareals (Foto: Andreas Pflock)
  • Glockenturm im hinteren Gedenkstättenbereich (Foto: Andreas Pflock)
  • Namenstafeln und Reliefs von Jo Jastram (Foto: Andreas Pflock)
  • Erste Namenstafel mit Widmungstext (Foto: Andreas Pflock)
  • Detailansicht der Reliefs von Jo Jastram (Foto: Andreas Pflock)
  • (Foto: DOK Barth)
  • Gesamtansicht der Denkmalsanlage (Foto: Andreas Pflock)

Kurzinformation

Denkmal für die Opfer des Außenlagers des KZ Ravensbrück

Beschreibung

Die Denkmalsanlage für die Opfer des KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit".-Außenlagers befindet sich am südlichen Stadtrand von Barth, rund zwei Kilometer von der historischen Innenstadt entfernt und unmittelbar an der L 23 (Chausseestraße).

Die verschiedenen Elemente der Anlage wurden aus Beton gefertigt. Am Eingang an der Chausseestraße befindet sich eine Wand mit der Aufschrift „Mahnmal KZ Barth“ und dem Umriss eines Häftlingswinkels, der als Symbol für die Verfolgten des NS-Regimes steht. Im hinteren Bereich bildet ein aus roten Dreiecken, dem Symbol für die politischen KZ-Häftlinge, zusammengesetzter Glockenturm das zentrale Gestaltungselement. Eine Betonwand begrenzt die Anlage. An ihr wurden vier quadratische Reliefs des Bildhauers Jo Jastram angebracht. Sie greifen die Themen FolterTortur Andere Bezeichnung für "Folter", „Quälerei“ oder „Strapaze“., Solidarität, Widerstand und Befreiung in künstlerisch verarbeiteter Form auf.

Links neben den Reliefs befinden sich vier Edelstahltafeln mit den Namen von 530 namentlich identifizierten Häftlingen des KZ-Außenlagers, die in alphabetischer Reihenfolge genannt werden – darunter auch jene der Sinti und Roma.

Auf dem Boden vor der Betonwand befinden sich acht steinerne Platten in verschiedenen Sprachen. Die darauf angebrachten Inschriften im bei der Errichtung 1966 offiziellen Sprachduktus der DDR lauten: „Hier ruhen 180 von den im KZ für die Profitinteressen des Heinkel-Konzerns zu Tode gequälten 2000 Antifaschisten aus 18 europäischen Nationen 1943-1945 ihr Tod ist uns Verpflichtung“. Die Zahl 2.000 ist dabei recht willkürlich gewählt. Wie die Historikerin Natalja Jeske mit Blick auf die hier genannten Opferzahlen schreibt, war „der Wunsch, die Grausamkeit des Naziregimes durch möglichst hohe Zahlen zu belegen, stärker als die Verpflichtung zur Wahrheit“ (Jeske 2011, S. 27).

Entstehung

Bereits 1945 wurde auf dem Gelände des Lagers eine kleine Gedenkstätte errichtet. Allerdings verwies das schlichte Kreuz mit der Aufschrift „Hier ruhen unbekannte Opfer des Faschismus“ mit keinem Wort auf das einstige KZ-Außenlager. Bemühungen vonseiten der Überlebenden und der Landesforschungsstelle der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) hier eine Veränderung herbeizuführen, verliefen aufgrund staatlicher Ablehnung im Sand. Diese „Unsichtbarkeit“ des ehemaligen KZ-Außenlagers wurde erst gebrochen, als eine Aufarbeitung und ein Gedenken für die DDR-Führung politisch opportun wurden. In der ideologischen Auseinandersetzung mit dem Westen nahm man Hans Globke, Kanzleramtschef unter Konrad Adenauer, und seine NS-Vergangenheit ins Visier. Dabei spielte das KZ Barth eine Rolle, und nach dem Prozess gegen Globke in Ost-Berlin führte das Ministerium für Staatssicherheit von 1963 bis 1966 Ermittlungen zu den NS-Verbrechen in Barth durch. Am 30. September 1964 beschloss der Rat des Bezirks Rostock schließlich die Umsetzung eines Mahnmalentwurfs. Ein Jahr später, am 12. September 1965, erfolgte die Grundsteinlegung.

Am Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung, dem 8. Mai 1966, wurde die östlich des ehemaligen Lagergeländes errichtete Denkmalsanlage feierlich eingeweiht. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sie sich zu einem festen Element der sozialistischen Gedenkrituale mit Massenveranstaltungen und Kranzniederlegungen an zentralen Gedenk- und Erinnerungstagen. Die angedachte Einrichtung einer ergänzenden Ausstellung für die historische Bildungsarbeit wurde jedoch nicht umgesetzt. Neue Impulse zur Erinnerungsarbeit entstanden erst, nachdem Helga Radau 1991 die Stelle der Stadtarchivarin in Barth angetreten hatte. Aus ihrem Engagement ging 1998 die Gründung des Fördervereins „Dokumentations- und Begegnungsstätte Barth e.V.“ hervor. Ihm und seinen Mitgliedern ist es zu verdanken, dass neben einer Dauerausstellung mit dem Titel "12 von 750 Jahren - Barth im Nationalsozialismus 1933 - 1945" auf dem ehemaligen Lagergelände ein Gedenk- und Lernpfad entstand. Seit dem Jahr 2022 ist die Ausstellung im historischen Stadtkern im Vineta-Bürgerhaus zu sehen.

Zum Gedenktag am 27. Januar 2014 wurden neben den Reliefs von Jo Jastram vier Tafeln mit den ermittelten Namen von Häftlingen des KZ-Außenlagers eingeweiht. Auf Initiative des Fördervereins wurden sie vom Grafikdesigner Wolfgang Sohn gestaltet. Die Finanzierung wurde von der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, dem Kreis Vorpommern-Rügen und der Stadt Barth getragen.

In den Jahren 2020 und 2021 kam es wiederholt zu Schändungen der Denkmalsanlage: Im August 2020 zerstörten Unbekannte sechs der Metalltafeln. Im Jahr 2021 wurden Hakenkreuze auf das Mahnmal gesprüht. Die Verantwortlichen konnten nicht ermittelt werden.

Gestaltung

Die Denkmalsanlage wurde vom Bildhauer Joachim „Jo“ Jastram gestaltet. Der Künstler wurde 1928 in Rostock geboren und studierte an der Hochschule für Bildende Künste Dresden bei Walter Arnold und an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee bei Heinrich Drake. 1956 schloss er das Studium als Bildhauer ab und arbeitete seitdem freischaffend. Ab 1964 lehrte er an der Universität Greifswald. Zwischen 1980 und 1986 hatte er die Professur für Plastik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee inne. Jo Jastram erhielt zahlreiche Auszeichnungen für sein künstlerisches Schaffen. Zu seinen bekanntesten Werken zählen der „Brunnen der Lebensfreude“ auf dem Universitätsplatz in Rostock und die „Große afrikanische Reise“ am Rostocker Stadthafen. Jo Jastram verstarb am 7. Januar 2011 in Ribnitz-Damgarten.

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Auskunft des Fördervereins Dokumentations- und Begegnungsstätte Barth, Elke Engelmann, vom 26.7.2024

KZ-Mahnmal in Barth beschädigt. https://www.nordkurier.de/regional/mecklenburg-vorpommern/kz-mahnmal-in-barth-beschadigt-1169927
KZ-Gedenkstätte in Barth erneut geschändet. https://www.zeit.de/news/2021-08/04/kz-gedenkstaette-in-barth-erneut-geschaendet
Neue Namenstafeln für die Vergessenen, in: Ostsee-Zeitung vom 28.01.2014

Jeske, Natalja: Das KZ-Außenlager Barth. Geschichte und Erinnerung, Kückenshagen 2010
Dies.: Das KZ-Außenlager Barth, in: Gedenkstättenrundbrief 163 (10/2011) S. 18-29, online: https://www.gedenkstaettenforum.de/aktivitaeten/gedenkstaettenrundbrief/detail/das-kz-aussenlager-barth
Jeske, Natalja: Das KZ-Außenlager Barth. Geschichte und Erinnerung. Kückenshagen 2011

https://de.wikipedia.org/wiki/Jo_Jastram am 18.07.2024

Wir danken dem Förderverein Dokumentations- und Begegnungsstätte Barth für die freundliche Unterstützung und die zur Verfügung gestellten Informationen und Quellen.

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