Bonn, Bahnhofsvorplatz

Gedenktafel für die deportierten und ermordeten Bonner Sinti und Roma (derzeit im städtischen Depot)
  • Gedenktafel mit Eingang zum Hauptbahnhof im Hintergrund (Foto: Landesverband NRW)
  • Vorsitzende des Landesverbands und Gäste bei der Einweihung der Gedenktafel (Foto: Landesverband NRW)
  • Detailansicht der Inschrift (Foto: Wikimedia Commons, Axel Kirch)
  • Gedenktafel am Abgang zur U-Bahn (Foto: Wikimedia Commons, Axel Kirch)
  • Platz der entfernten Gedenktafel vor Beginn der Bauarbeiten, Oktober 2016 (Foto: Rainer Selmann)

Kurzinformation

Gedenktafel für die deportierten und ermordeten Bonner Sinti und Roma (derzeit im städtischen Depot)

Beschreibung

Die Gedenktafel wurde rund 30 Meter nördlich des Eingangs zum Bonner Hauptbahnhof (in Richtung Innenstadt) an einem Pfeiler am Abgang zur U-Bahn und zur Bahnhofspassage angebracht.

Die Inschrift der aus Bronze gefertigten Tafel lautet: „Wir gedenken der Bonner Sinti, die 1938-1945 aus ihren Häusern deportiert wurden und in Auschwitz und anderswo Opfer des nationalsozialistischen Völkermords wurden. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bonn 1999.“

Im März 1943 wurden insgesamt 17 Angehörige der Familien Franz, Freiwald und Reinhard von Bonn nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Insgesamt wurden 40 Bonner Sinti deportiert, von denen nur eine Person überlebte. Ihrem Andenken ist die Tafel gewidmet.

Entstehung

Die Gedenktafel entstand auf Initiative des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma Nordrhein-Westfalen und wurde von der Stadt Bonn realisiert. Ihre Einweihung erfolgte anlässlich des Jahrestags des „Auschwitz-ErlassesAuschwitz-Erlass Am 16. Dezember 1942 unterzeichnete Heinrich Himmler, der Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, den sogenannten „Auschwitz-Erlass“, der die familienweise Deportation von Sinti und Roma aus dem Deutschen Reich in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau anordnete. Wenig später ergingen entsprechende Befehle für Österreich, den Bezirk Białystok, Elsass und Lothringen, Luxemburg, Belgien sowie die Niederlande. Ab Februar 1943 wurden annähernd 23.000 Sinti und Roma nach Auschwitz-Birkenau deportiert, der größte Teil (etwa 10.000 Männer, Frauen und Kinder) stammte aus dem Reichsgebiet.“ durch den „Reichsführer SSSchutzstaffel Die Schutzstaffel (kurz: SS) war 1925 als persönliche Leibwache Hitlers gegründet worden. Den höchsten Dienstgrad innerhalb der SS stellte seit 1934 der „Reichsführer SS“ dar. Bis 1945 nahm Heinrich Himmler diese Position ein. Unter seiner Leitung wurde die SS zu einer Eliteeinheit aufgebaut, die zum zentralen Instrument des staatlichen Terrors wurde. Die SS hatte im Rahmen der „Endlösung“ maßgeblichen Anteil am Völkermord an den europäischen Juden sowie den Sinti und Roma.“ Heinrich Himmler am 16. Dezember 1942. Gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn, Bärbel Dieckmann, nahmen die beiden Vorsitzenden des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma Nordrhein-Westfalen, Hugo und Roman Franz, die feierliche Enthüllung vor. Roman Franz war es dabei ein wichtiges Anliegen zu betonen, dass die Tafel keine Anklage erheben, sondern vielmehr als Zeichen gegen das Vergessen wirken solle. 

Vor dem Hintergrund der umfangreichen Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes wurde die Tafel im Oktober 2016 entfernt. Im darauffolgenden Jahr begann die Überbauung des Platzes mit dem neuen Stadtviertel „Urban Soul“, das 2021 weitestgehend fertig gestellt werden konnte. Die Gedenktafel kehrte hingegen jedoch nicht in ihr ursprüngliches Umfeld zurück, sondern wurde auf dem städtischen Bauhof und zuletzt im Kulturamt aufbewahrt. Auf das „Verschwinden“ des Erinnerungszeichens machten der Bonner Kultur-Blogger Rainer Selmann und der Bürger Frank Wittwer aufmerksam, der durch sein Engagement auch eine Anfrage des Stadtrats an die Stadtverwaltung anregen konnte.

Nachdem eine Wiederanbringung der Tafel bereits im August 2019 vorgesehen war, argumentierte das Kulturamt in einer Stellungnahme zur Gedenktafel und zur städtischen Erinnerungskultur im August 2020: „Um das Thema insgesamt, mit allen erforderlichen Facetten, wissenschaftlich fundiert und systematisch aufarbeiten zu können, plant die Verwaltung die Durchführung eines eigenen Projektes für die Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes ‚Aktive Erinnerungskultur.‘ […] Die Abstimmung und Festlegung des neuen Ortes für die Gedenktafel kann frühestens nach Fertigstellung der Baumaßnahme auf dem Nordfeld vor dem Bahnhof erfolgen. Damit ist in ca. 6 Monaten zu rechnen.“ Gleichzeitig stellt die SPD-Fraktion im Stadtrat den Antrag, die Tafel aus dem städtischen Bauhof zu holen und „baldmöglichst an einem neuen prominenten Platz wieder für die Öffentlichkeit sichtbar“ zu machen. Auf Grundlage der Äußerungen des Kulturamtes wurde der Landesverband der Sinti und Roma Nordrhein-Westfalen schließlich im August 2020 seitens der Stadt darüber informiert, dass ein neuer Anbringungsort nach Abschluss der Bauarbeiten Anfang 2021 abgestimmt werden könne. 

Dass die Tafel nach fünf Jahren immer noch nicht in den öffentlichen Raum zurückkehren konnte, kritisierte auch die CDU. Die Stadtrats-Fraktion und die Bezirksfraktion stellten am 11. Mai 2021 den Antrag: „Die Verwaltung wird gebeten, den Verbleib der Gedenktafel für Sinti und Roma […] zu klären und für diese einen neuen würdigen Standort in Absprache mit dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma NRW den Ratsgremien vorzuschlagen.“ Während am 15. Juni 2021 das Kulturamt in einer Stellungnahme seine Position aus dem Sommer 2020 wiederholte und eine Vertagung der Entscheidung bis zum 1. Quartal 2022 vorschlug, stimmte die Sitzung der Bezirksvertretung einstimmig und unverändert dem Antrag der CDU zu, um den Anbringungsprozess zu dynamisieren. Zudem wandte sich der Vorsitzende des Landesverbands der Sinti und Roma, Roman Franz, in einem Brief mit eindringlichen Worten an die Stadtverwaltung: „In diesem Sinne bitte ich Sie, die Entscheidung über den Verbleib der Gedenktafel in Abstimmung mit uns, dem Landesverband, zu fällen – und das nicht erst Anfang 2022. Ich hoffe, baldmöglichst von Ihnen zu hören.“

Treffend kommentierte Fabien Schäfer im Bonner General-Anzeiger am 21. Juni 2021 die gegenwärtige Situation mit folgenden Worten: „Es ist grundsätzlich keine schlechte Idee, nicht nur die Geschichte, sondern auch die Art des Gedenkens zu hinterfragen und, wo nötig, anzupassen. […] Weshalb allerdings der Ort der Gedenktafel für die deportierten Sinti aus Bonn „grundlegend aufgearbeitet“ werden müsse, bleibt ein Rätsel. […] Welchen Erkenntnisgewinn 'grundsätzliche Klärungen zum Umgang mit der Erinnerungskultur in Bonn' versprechen, bleibt abzuwarten. Dass allerdings der zuständige Verband als Initiator der Gedenktafel von der verschobenen Entscheidung der Wiederanbringung nur dank einer Anfrage im Denkmalausschuss erfuhr, ist unsensibel. Dass der Verband immer wieder mit späteren Daten vertröstet wurde, ist peinlich.“

Wann und wo die Gedenktafel ihren neuen Anbringungsort finden wird ist gegenwärtig noch offen.

Gestaltung

Die Gedenktafel wurde in der seit 1999 in Bonn ansässigen Kunstgießerei von Friedemann Sander angefertigt. Dort entstehen in einem speziellen Gussverfahren Bronzeskulpturen verschiedener Künstlerinnen und Künstler, eigene Werke und Auftragsarbeiten. Zu den bekanntesten Bronzearbeiten für den öffentlichen Raum zählen das Bronzemodell der Stadt Bonn auf dem Bonner Münsterplatz, die Bronzeskulptur an der Saugasse in Lohmar sowie das Bronzemodell der Godesburg in Bad Godesberg.

Kunstgießerei Friedemann Sander

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Bab, Bettina/Stang, Erhard: „Aufenthalt hat hier keine derartige Familie genommen...“ Sinti und Roma in der Region Bonn, in: Fremde in Bonn. Ein historisches Lesebuch, hrsg. von der Bonner Geschichtswerkstatt, Bonn 1993, S. 82-91.
Roth, Thomas: „Verzogen nach Auschwitz“. Zur Verfolgung der Bonner Sinti in der NS-Zeit, in: Zigeunerverfolgung im Rheinland und in Westfalen 1933-1945, hrsg. von Fings, Karola/Opfermann, Ulrich, Paderborn 2012, S. 89-100.
Schäfer, Fabien: „Unsensibler Handeln“ und „Gedenktafel liegt seit Jahren im Kulturamt“ in Bonner General-Anzeiger am 21. Juni 2021.
 „Was ist mit der Gedenktafel für die Sinti und Roma geschehen?“ Blogeintrag vom 20.10.2016 auf Kulturnews. Bonn & Kultur by Rainer Selmann.

Axel Kirch/Wikimedia Commons
Gesamtansicht https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2016-05-04-bonn-poststrasse-gedenkort-sinti-und-roma-01.jpg
Detailansicht https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2016-05-04-bonn-poststrasse-gedenkort-sinti-und-roma-02.jpg

Wir danken Rainer Selmann und Axel Kirch für die freundliche Erlaubnis zur Nutzung der hier verwendeten Fotos.

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