Frankfurt, Hauptfriedhof

Gedenktafel für die im Nationalsozialismus ermordeten Frankfurter Sinti und Roma
  • Gesamtansicht der Gedenktafel (Foto: Andreas Pflock)
  • Zentraler Eingang des Hauptfriedhofs (Foto: Andreas Pflock)
  • Blick auf den mit niedrigen Mauern eingefassten Bereich des Ehrenmals (Foto: Andreas Pflock)
  • Blick über einen Teil des Gräberfelds auf den Bereich des Ehrenmals mit Skulptur (Foto: Andreas Pflock)
  • Gesamtansicht der 1993 eingeweihten Gedenktafel aus Sandstein (Foto: Andreas Pflock)
  • Gedenktafel für Sinti und Roma im Vordergrund, Skulptur "Hiob" im Hintergrund (Foto: Andreas Pflock)

Kurzinformation

Gedenktafel für die im Nationalsozialismus ermordeten Frankfurter Sinti und Roma

Beschreibung

Die Gedenktafel befindet sich auf dem Areal des Frankfurter Hauptfriedhofs an der Eckenheimer Landstraße, rund 4 Kilometer nord-östlich des Hauptbahnhofs im Stadtteil Nordend-West. Von der U-Bahn-Haltstelle „Hauptfriedhof“ kommend gelangt man zunächst zum Hauptportal und wählt einen der geradeaus in Richtung Osten führenden Wege, um in den hinteren Teil des Friedhofareals zu gelangen. Dort befindet sich im östlichen Teil des Gewanns 1 das Gräberfeld mit dem Ehrenmal für die Opfer des Nationalsozialismus.

Im Zentrum der Anlage befindet sich die vom Künstler Gerhard Marcks geschaffene Bronzefigur „Hiob“. Sie wurde zunächst durch die allgemein formulierte Texttafel „Den Opfern der Gewalt 1933-1945“ ergänzt. Zu dieser am 15. November 1959 eingeweihten Anlage gehören rund 1.500 Grabstätten von Opfern der KonzentrationslagerKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". und Haftstätten, von Opfer des „EuthanasieAktion T4 "Aktion T4" ist eine Nachkriegs-Bezeichnung für den systematischen Mord der Nationalsozialisten an behinderten Menschen in Deutschland und Österreich. „T4“ war die Abkürzung für die Adresse, von der aus die Morde organisiert wurden (die „Tiergartenstraße 4“ in Berlin). Mehr als 70.000 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen wurden in den Jahren 1940/41 in den sechs Tötungsanstalten Grafeneck, Bernburg, Hadamar, Hartheim, Pirna-Sonnenstein und Brandenburg in Gaskammern ermordet. Die Opfer stammten aus allen Schichten der Gesellschaft. Vor allem Menschen, die aus der Sicht von Ärzten keine brauchbare Arbeit leisteten konnten, viel Pflege benötigten oder störten, waren von der Ermordung bedroht. Die Nationalsozialisten nutzten zur Verschleierung des Massenmords Begriffe wie „Euthanasie“ (griechisch = guter/leichter/schöner Tod) oder „Aktion Gnadentod“. Nach Protesten aus der Bevölkerung und der Kirche wurden die Tötungen zunächst offiziell eingestellt, heimlich aber noch bis zum Kriegsende weiter geführt. Unabhängig davon wurden auch in den besetzten oder annektierten Gebieten Polens und der Sowjetunion zehntausende kranke und behinderte Menschen ermordet. Schätzungen gehen von insgesamt zwischen 200.000 und 300.000 Opfern der NS-Krankenmorde aus.“ sowie von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen. Seit ihrer Einweihung wurde die Anlage um weitere Gedenktafeln erweitert, die an verschiedene Opfergruppen erinnern. Darunter auch die Sandsteintafel für die Sinti und Roma mit einer Größe von 100 x 180 x 25 Zentimetern . Ihre Inschrift lautet: „Zum Gedenken an die 500.000 Sinti und Roma, die im Nationalsozialismus Opfer des Völkermords wurden“.

Entstehung

Die Gedenktafel entstand auf Initiative des Hessischen Landesverbands Deutscher Sinti und Roma und wurde zunächst am 2. August 1991 im Rahmen einer Gedenkfeier für die in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma in der Paulskirche, bei der auch der damalige Ministerpräsident Hans Eichel eine Ansprache hielt, enthüllt. Knapp zwei Jahre später wurde sie schließlich am 3. März 1993 auf dem Hauptfriedhof platziert. Im Zuge der Einweihungsfeier sagte die damalige Frankfurter Kulturdezernentin Linda Reisch zu, auch jene Orte und deren Geschichte im Stadtgebiet kenntlich zu machen, die Ausgangspunkte für die Verfolgung, DeportationDeportation Bezeichnung für die zwangsweise Um- oder Aussiedlung von Menschen aus ihren Wohngebieten, zum Teil unter Androhung und Anwendung von Gewalt. Während der NS-Zeit wurden ganze Bevölkerungsgruppen wie Juden oder Sinti und Roma zunächst aus dem Deutschen Reich, dann auch aus dem übrigen Europa, in Sammellager, Gettos und Konzentrations- oder Vernichtungslager in die besetzten Ostgebiete deportiert und dort ermordet. Oft wurde dies auch zur Tarnung als "Evakuierung" bezeichnet. und Ermordung von Sinti und Roma in Frankfurt waren. Insbesondere verwies sie dabei auf die Orte der ehemaligen ZwangslagerZwangslager Nationalsozialistische Zwangslager für Sinti und Roma (häufig auch als „Zigeunerlager“ bezeichnet) entstanden ab Mitte der 1930er Jahre in zahlreichen deutschen Großstädten, wie u.a. in Köln, Düsseldorf, Fulda, Hamburg, Hannover, Köln und Magdeburg. Ihre Planung, Errichtung und ihr Betrieb gingen auf Initiativen kommunaler Behörden zurück. Die Lager waren meist polizeilich bewacht und dienten der Konzentration und Erfassung von Sinti und Roma, ihrer Rekrutierung als Zwangsarbeitskräfte sowie der Trennung der Insassen von der sogenannten "Volksgemeinschaft". Mit der zunehmenden Radikalisierung der Verfolgungsmaßnahmen dienten die Zwangslager letztendlich als Sammellager für die Deportationen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. in der Diesel- und Kruppstraße.

Gestaltung

Die Gedenktafel wurde von Steinmetzen der Sinti-Werkstatt in Albersweiler angefertigt. Diese war vom Landesverband Deutscher Sinti und Roma Rheinland-Pfalz gegründet worden, um die seit Generationen überlieferte Handwerkskunst der Sinti und Roma zu erhalten und zu fördern. Die Idee dazu entstand im Kontext des Evangelischen Kirchentags 1983 in Hannover, wo Sinti-Handwerker ihre Arbeiten präsentierten. Finanzielle Unterstützung erhielt das Projekt von der Freudenberg-Stiftung wie auch vom Bundes-Bildungsministerium in Bonn. Dank dieser Unterstützung wurden unter Führung des Landesverbands eine Werkstatt und ein Verkaufsraum im pfälzischen Albersweiler angemietet, wo die Handwerker im Laufe der Zeit zahlreiche außergewöhnliche Werke anfertigen konnten.

Die „Sinti-Werkstatt“ erfreute sich nach ihrer Eröffnung im Mai 1987 bis zum Projektende im Herbst 1994 einer breiten Aufmerksamkeit bei vielen prominenten Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Politik. Das Projekt wurde schnell zum Wegweiser für den richtigen Umgang mit Vorurteilen und Diskriminierungen gegenüber der Minderheit. Die Förderung der Kultur, hier im Besonderen der traditionellen Handwerkskunst der Sinti, wie auch die breite öffentliche Anerkennung ihrer Arbeiten unterstützten den Abbau alter Vorurteile. Davon zeugen zahlreiche öffentliche Aufträge, die die Sinti-Werkstatt erhielt. Bekannt wurde die Sinti-Werkstatt im pfälzischen Albersweiler jedoch vor allem auch durch ihre Werke zum Gedenken an die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Sinti und Roma.

Zu den Arbeiten der Sinti-Werkstatt gehören:

  • Brunnentrog der barocken Grundwasser-Brunnenanlage in Landau (1989)
  • Wappen der Evangelischen Kirche der Pfalz in Speyer (1990)
  • Taufstein für die evangelische Kirche in Landau-Nußdorf (1991)
  • Mahnmal für die verfolgten und ermordeten Sinti und Roma in Wiesbaden (1992)
  • Gedenktafel für die deportierten Düsseldorfer Sinti in Düsseldorf (Einweihung 1993)
  • Gedenktafel zur Erinnerung an die verfolgten und ermordeten Heidelberger Sinti (1993)
  • Gedenktafel zur Erinnerung an die Mai-Deportationen 1940 am Bahnhof in Asperg (1995)

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Delfeld, Jacques (Hrsg.): 20 Jahre für Bürgerrechte. Verband deutscher Sinti und Roma Landesverband Rheinland-Pfalz, Mannheim 2005, S.183-193.
Puvogel, Ulrike/Stankowski, Martin: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Band 1, 2. überarb. und erw. Aufl., hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, S. 299f.

„Die Schuld nicht mehr verdrängen“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.3.1993.
„Morde an Sinti und Roma blieben perfekt verdrängt“. Jetzt Gedenktafel auf dem Hauptfriedhof, Frankfurt Rundschau vom 4.3.1993.

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