Geesthacht, St. Salvatoris

Gedenkstein für in Auschwitz und Neuengamme ermordete Sinti und Roma
  • Detailansicht (Foto: Andreas Pflock)
  • Eingang auf den Kirchhof (Foto: Andreas Pflock)
  • Informationstafel zur Kirchengeschichte am Eingang zum Kirchhof (Foto: Andreas Pflock)
  • Gesamtansicht des Gedenksteins (Foto: Andreas Pflock)
  • Blick über den Kirchhof mit erhaltenen Grabsteinen (Foto: Andreas Pflock)
  • Öffnung zur Aufbewahrung der Namen der Ermordeten (Foto: Andreas Pflock)
  • Ausschnitt der Inschrift (Foto: Andreas Pflock)
  • Blick vom Gedenkstein über den Kirchhof (Foto: Andreas Pflock)

Kurzinformation

Gedenkstein für in Auschwitz und Neuengamme ermordete Sinti und Roma

Beschreibung

Der Gedenkstein befindet sich auf dem Gelände der evangelisch-lutherischen St. Salvatoris-Kirche (Kirchenkreis Hamburg-Ost). Sie ist die älteste erhaltene Kirche in Geesthacht und wurde 1685 auf einer flutsicheren Anhöhe geweiht. Das Kirchenareal wurde zu den umliegenden Straßen hin mit einer Feldsteinmauer umgeben. Einige erhaltene Grabsteine auf der Fläche des Kirchhofs zeugen davon, dass dieser bis zum Jahr 1918 als Friedhof genutzt wurde.

Der Gedenkstein fügt sich in der Form eines symbolischen Grabsteins in das Gesamtbild des Kirchhofs ein. Er wurde aus dem Sockelstein eines Kaiserdenkmals angefertigt, das auf dem Hamburger Rathausmarkt stand. Im Kopfteil des Gedenksteins wurde eine Kassette eingelassen, die eine Liste mit den Namen und – sofern bekannt – Daten von 23 ermordeten Mitgliedern der Sinti-Familien Ansen, Bamberger, Devis, Ernst, Mettbach, Petermann und Steinbach enthält, deren Angehörige nach dem Krieg in Geesthacht eine Heimat fanden.

Die Inschrift lautet:
„Sinti und Roma mussten leiden und sterben.
1933 – 1945
Sorgt, die ihr im Leben steht, dass einer nun den anderen achte.“

Entstehung

Die Initiative zur Errichtung des Gedenksteins ging aus der Arbeit im „Evangelischen Verein für Soziale Dienste St. Salvatoris e.V.“ hervor, in dessen Vorstand sich Mitglieder des Kirchenvorstands der GemeindeKommune / Gemeinde Bezeichnung für die kleinste öffentliche Verwaltungseinheit in der Organisation eines Staates. befanden. 1985 bemerkte eine nach dem Krieg nach Geesthacht gezogene Sintiza, dass kein Ort existiere, um an die in der NS-Zeit ermordeten Familienangehörigen zu erinnern. Daraus entstand die Idee, für die im Ort ansässigen Angehörigen und Nachfahren einen symbolischen Grabstein im Gedenken an die Ermordeten zu schaffen. Nach kontroversen Diskussionen im Kirchenvorstand signalisierte dieser die Bereitschaft zur Aufstellung des Steins auf der Fläche des Kirchhofs. Im Rahmen einer aufwendigen Recherche nach Namen, Alter und Todesorten der Ermordeten konnten schließlich 23 Familienangehörige namentlich benannt werden: 21 wurden in Auschwitz-Birkenau und 2 im unweit gelegenen KonzentrationslagerKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Neuengamme ermordet.

Die Finanzierung des Gedenksteins wurde durch Mittel der Stadt Geesthacht, des Landes Schleswig-Holstein und verschiedene Spenden ermöglicht. Seine Einweihung als „Gedächtnismal des Schmerzes, Ort der Aufzeichnung der Totennamen und Mahnmal für uns heute“ fand am Buß- und Bettag 1989 mit einem öffentlichen Gedenken am Stein und einem anschließenden Empfang statt.

Im Gemeindebrief vom November 1989 hielt Ulrich Paulsen fest: „Wir gedenken damit eines Völkermordes, der durch Deutsche geschehen ist. Die Deutlichkeit dieses Mahnmales erregt Anstoß. Ein gemeinsames Gedenken an alle Toten jener Zeit entbindet zu leicht von der genauen Erinnerung, dem speziellen Schmerz und einer entsprechenden Verhaltensänderung heute. […] Der VölkermordVölkermord Bezeichnung für die vorsätzliche Ermordung, Ausrottung oder anderweitige Vernichtung von Volksgruppen aufgrund ihrer vermeintlich rassischen, ethnischen oder sozialen Merkmale, ihrer Nationalität oder religiösen Überzeugungen. 1948 verabschiedeten die Vereinten Nationen einen völkerrechtlichen Vertrag über die Verhütung und die Bestrafung von Völkermorden. an Sinti und Roma zwingt uns zur Deutlichkeit – spätestens im Jahre 1989. Sinti und Roma sind zu oft vergessene Verfolgte gewesen. Wir feiern die Erinnerung am Buß- und Bettag mit einem Gottesdienst. Wir erinnern als Christen, weil nur durch Erinnern Versöhnung und Veränderung möglich werden. Als Christen bekennen wir, dass Gewalt und Unrecht nicht verschwiegen werden dürfen. Als Christen ist uns bewusst, dass dieser Schritt sehr spät kommt.“

Gestaltung

Der Gedenkstein wurde vom Bildhauer Klaus-Jürgen Luckey gestaltet. Er wurde am 20. März 1934 in Hamburg geboren. Zwischen 1952 und 1955 studierte er Bildhauerei an der Landeskunstschule Hamburg (der heutigen Hochschule für Bildende Künste) unter anderem bei Edwin Scharff. Nach Studienaufenthalten in Florenz und Zürich richtete er 1958 sein erstes eigenes Atelier in Hamburg-Wandsbek ein. Im Jahr 1967 verlegte er es in das von ihm erworbene Geburtshaus des Kunsthistorikers Alfred Lichtwark in Hamburg-Kirchwerder. Klaus-Jürgen Luckey erhielt zahlreiche Aufträge zur Ausstattung von Kirchen und öffentlichen Gebäuden und Plätzen in Norddeutschland, für die er als bevorzugte Materialien Bronze und Holz einsetzte. Er starb am 27. Februar 2001.

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Puvogel, Ulrike: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus, Band 1, Bonn 1996, S. 732f.

https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus-J%C3%BCrgen_Luckey am 23.02.2021

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