Ludwigshafen, Rathausplatz

Denkmal zur Erinnerung an die Deportation im Mai 1940
  • Inschriftentafel an der Gedenkstele (Foto: Andreas Pflock)
  • Jacques Delfeld vom Landesverband der Sinti und Roma und Oberbürgermeister Wolfgang Schulte bei der Denkmalseinweihung (Stadtarchiv Ludwigshafen, Neg. Meinberg 3750)
  • Grünanlage vor dem Rathaus-Center (Foto: Andreas Pflock)
  • Erinnerungszeichen an die Deportationen von Sinti, Roma und Juden (Foto: Andreas Pflock)
  • Gedenkstele neben dem Erinnerungszeichen für die Deportation der jüdischen Bevölkerung nach Gurs (Foto: Andreas Pflock)
  • Gedenkstele neben dem Erinnerungszeichen für die Deportation der jüdischen Bevölkerung nach Gurs (Foto: Andreas Pflock)
  • Gedenkfeier mit Kranzniederlegung am 27. Januar 2009 (Foto: DokuZ/Andreas Pflock)
  • Denkmal nach der Feierstunde am 27. Januar 2009 (Foto: DokuZ/Andreas Pflock)

Kurzinformation

Denkmal zur Erinnerung an die Deportation im Mai 1940

Beschreibung

Das Denkmal befindet sich am Ort des früheren Ludwigshafener Hauptbahnhofs, rechts auf einem Plateau vor dem Haupteingang in das heutige Rathaus-Center. Es erinnert an die von hier aus im Mai 1940 in das besetzte Polen deportierten Sinti und Roma. Das Denkmal besteht aus einer roten Sandstein-Stele und einer darauf angebrachten Bronzetafel mit folgender Inschrift:

„Zum Gedenken
an die DeportationDeportation Bezeichnung für die zwangsweise Um- oder Aussiedlung von Menschen aus ihren Wohngebieten, zum Teil unter Androhung und Anwendung von Gewalt. Während der NS-Zeit wurden ganze Bevölkerungsgruppen wie Juden oder Sinti und Roma zunächst aus dem Deutschen Reich, dann auch aus dem übrigen Europa, in Sammellager, Gettos und Konzentrations- oder Vernichtungslager in die besetzten Ostgebiete deportiert und dort ermordet. Oft wurde dies auch zur Tarnung als "Evakuierung" bezeichnet.
der Sinti und Roma
aus der Pfalz
Nordbaden
und Rheinhessen
vom früheren Hauptbahnhof Ludwigshafen/Rh
in die KonzentrationslagerKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". in Polen
am 16. Mai 1940.“

Entstehung

Die Errichtung des Denkmals geht auf die Initiative des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma in Rheinland-Pfalz zurück. Im November 1991 wandte sich der Vorsitzende Jacques Delfeld an den Oberbürgermeister der Stadt Ludwigshafen, Dr. Werner Ludwig, mit der Bitte und Anregung, in der Stadt ein Erinnerungszeichen an die Deportation der Sinti und Roma im Mai 1940 zu realisieren. Der Oberbürgermeister veranlasste unmittelbar darauf die nähere Betrachtung der historischen Sachverhalte. Mitte Januar 1992 wurde ihm ein Vermerk vorgelegt, der zwar keine Beteiligung der Stadt Ludwigshafen an den Deportationen nachwies, jedoch klar zum Ausdruck brachte, dass „ein Beschluss zur Errichtung eines Gedenksteins in unserer Stadt für die in der NS-Zeit verfolgten Sinti und Roma deshalb weniger auf lokalhistorischen Quellen beruhen als vielmehr eine politische Entscheidung bedeuten würde.“ Politik und Stadtverwaltung bezogen umgehend Position für ein solches Gedenkzeichen.

Bereits Ende Januar 1992 war die „Sinti-Gedenktafel“ Gegenstand einer Sitzung des städtischen Verwaltungsrates mit ersten Überlegungen für eine mögliche Inschrift. Grundsätzlich sollte sich die Tafel an der Gedenktafel für die deportierten Juden im Hof der Maxschule orientieren, um eine „Über- oder Unterbewertung der Sinti- gegenüber der Judenverfolgung zu vermeiden“. Kurze Zeit später war auch ein möglicher Ort gefunden worden: Die Tafel sollte ihren Platz am Westeingang des Rathaus-Centers finden, auf der Wegstrecke der täglich zahlreichen Passanten zum angrenzenden Parkplatz und zu den Bushaltestellen. Die Umsetzung dieser Idee erforderte jedoch eine Zustimmung der Eigentümerin des Rathaus-Centers, der ECE (damals "Einkaufs-Center Entwicklung GmbH. & Co.", heute "ECE Projektmanagement GmbH. & Co. KG"). Während der Entwurf für die Tafel im Dialog zwischen Stadtverwaltung und Landesverband der Sinti und Roma konkrete Formen annahm, brachte ein Schreiben der ECE das Vorhaben zunächst zum Stillstand. Nach einem Vor-Ort-Termin an möglichen Anbringungsstellen Mitte März 1992 teilt die ECE der Stadtverwaltung am 6. April mit, dass „sich die besprochenen Standorte im Eingangsbereich eines Shopping-Centers (Wände oder Stützen) nicht für die Anbringung eignen.“ Man fürchtete wohl, dass eine auf Deportationen verweisende Tafel die Einkaufslaune schmälern könnte.

Die Stadtverwaltung bemühte sich nun darum, einen alternativen Aufstellungsort im Bereich des ehemaligen Ludwigshafener Hauptbahnhofs zu finden. Im Oktober 1992 konnte der Beigeordnete für Schulen und Kultur, Günther Ramsauer, dem Landesverband mitteilen, dass der Stadtvorstand seine Zustimmung für die Aufstellung einer Gedenkstele auf einer Fläche neben dem Haupteingang zum Rathaus-Center gegeben habe. Dort sollte die vorgesehene Texttafel angebracht werden. Die notwendigen finanziellen Mittel wurden im Haushalt eingestellt. Der Stadtverwaltung war es ein nachweisbares Anliegen, die Realisierung des Gedenkortes baldmöglichst zu vollziehen – eine für die damalige Zeit eher ungewöhnliche politische Haltung.

Am 19. Juli 1993 wurde die Stele im Rahmen einer Feierstunde gemeinsam von Oberbürgermeister Wolfgang Schulte und Jacques Delfeld sowie in Anwesenheit des Überlebenden Richard Reinhard eingeweiht. Das Denkmal in Ludwigshafen war das erste seiner Art in Rheinland-Pfalz. "Die Rheinpfalz“ kommentiert in ihrer Ausgabe vom 20. Juli 1993: „Wie man sich einerseits von einem schrecklichen Kapitel deutscher Geschichte klipp und klar distanziert und andererseits die Gefühle von Opfern und Angehörigen pietätvoll teilt, hat die Stadt Ludwigshafen beispielhaft vorgeführt. Der Gedenkstein für Sinti und Roma, die Opfer der Nazis wurden, ist der erste in Rheinland-Pfalz. Die Stadt kam dem Wunsch nach einem Mahnmal umgehend nach – wissend, dass Vergangenheit so lange nicht einseitig als abgeschlossen erklärt werden kann, so lange sie bei den Betroffenen selbst noch in den Alltag hineinreicht. Enttäuschend, wie das Land beim Festakt vertreten war: die Abgeordnete Schmitt (Haßloch) war die einzige mit Mainzer Stallgeruch. Die Urlaubszeit darf nicht alles entschuldigen.“

Knapp 17 Jahre nach der Einweihung wurde das Denkmal kurz vor dem Jahrestag zur Erinnerung an die Mai-Deportationen geschändet. Passanten bemerkten am 8. Mai 2000 die mit weißer Farbe beschmierte Bronzetafel. Kurz zuvor war bereits die Gedenktafel an der ehemaligen Synagoge mit weißer Farbe besprüht worden. Der Landesverband erstattete bei der Staatsanwaltschaft Frankenthal am 10. Mai Strafanzeige gegen Unbekannt, auch wenn die Verantwortlichen schließlich nicht ermittelt werden konnten. Die Tafel konnte gereinigt und somit der Text wieder lesbar gemacht werden. Somit war es möglich, am 15. Mai - nach einer Gedenkminute des Stadtrats - eine würdige Kranzniederlegung am Denkmal dennoch stattfinden zu lassen.

Gestaltung

Das Denkmal wurde vom 1930 geborenen Steinbildhauer Hans Günter Thiele entworfen. Der gebürtige Ludwigshafener schuf zahlreiche Werke in Ludwigshafen und der Pfalz, darunter u.a.:

  • Rochusdenkmal vor der Pauluskirche in Ludwigshafen-Friesenheim (1984)
  • Stadtteilbrunnen im Ludwigshafener Friedenspark (1985)
  • Paul-Münch-Brunnen vor dem Alten Rathaus in Ruchheim (1990)
  • Denkmal Rheinwiesenlager Ludwigshafen-Rheingönnheim (1991)
  • Erneuerung des Eulenbrunnens im Riedsaumpark Ludwigshafen (1992)
  • Lebensbaum am Maria-Luise-Hatzfeld-Platz in Ludwigshafen-Mundenheim (1997)
  • Weltkugel auf dem Dr. Hans-Wolf-Platz in Ludwigshafen-Pfingstweide (2002)
  • Torfstecherbrunnen in Ludwigshafen-Maudach (2003)

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte
Archiv des Verbands Deutscher Sinti & Roma – Landesverband Rheinland Pfalz, Landau
Stadtarchiv Ludwigshafen: 3-117 2221, Landschaftliche Archivpflege Denkmalpflege
Stadtarchiv Ludwigshafen, Fotoarchiv: 46232 und Neg. Meinberg 3750

Die Rheinpfalz, Ausgabe vom 20.7.1993

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