Merseburg, Neumarkt

Gedenkstele für die deportierten und ermordeten Merseburger Sinti und Roma
  • Gedenkstele am Merseburger Neumarkt (Foto: Geschichtswerkstatt Merseburg)
  • Ersteinweihung am 18.12.2009 (Foto: Geschichtswerkstatt Merseburg)
  • Neusetzung der Stele am 5.9.2010 (Foto: Geschichtswerkstatt Merseburg)
  • Ansprache von Romani Rose am 5.9.2010 (Foto: Geschichtswerkstatt Merseburg)
  • Enthüllung der Stele am 5.9.2010 (Foto: Geschichtswerkstatt Merseburg)
  • V.l.n.r.: Dr. Helga Paschke (Vizepräs. des Landtags Sachsen-Anhalt), Romani Rose und die Bürgermeisterin von Merseburg, Dr. Barbara Kaaden, nach der Kranzniederlegung am 5.9.2010 (Foto: Geschichtswerkstatt Merseburg)
  • Neugesetzte Stele 2010 (Foto: Geschichtswerkstatt Merseburg)
  • Grünanlage nach der Neueinweihung 2010 (Foto: Geschichtswerkstatt Merseburg)
  • Jugendliche aus Polen, Deutschland und der Ukraine bepflanzen den Bereich vor der Stele (Foto: Geschichtswerkstatt Merseburg)

Kurzinformation

Gedenkstele für die deportierten und ermordeten Merseburger Sinti und Roma

Beschreibung

Die ca. 1,5 Meter hohe Stele aus Granitstein steht an Neumarktbrücke/Ecke Kirchstraße in unmittelbarer Nähe zur Kirche St. Thomae. An ihrer Oberseite wurde eine Stahlplatte angebracht. Die dort mit Laser eingebrannte Inschrift lautet:

„Sinti und Roma
Opfer
1933-1945“

Die Vorderseite der Stele trägt die in den Granit eingemeißelte Inschrift „Sie waren Merseburger“.

Entstehung

Mindestens 12 Merseburger Sinti und Roma, im Alter von 5 Monaten bis 46 Jahren, wurden in der NS-Zeit ermordet. Diese Informationen wurden im Rahmen eines Projektes am Merseburger Johann-Gottfried-Herder-Gymnasiums recherchiert. Zunächst bestand die Überlegung, an die Opfer in Form einer Verlegung von Stolpersteinen zu erinnern. Aufgrund der ablehnenden Haltung von betroffenen Nachkommen wurde dieser Plan jedoch schnell verworfen. Auf Initiative der Geschichtswerkstatt Merseburg entstand sodann der Plan, eine Gedenkstele im städtischen Raum aufzustellen. Im Oktober 2009 präsentierte die Geschichtswerkstatt dieses Projekt der Öffentlichkeit. Die Stadtverwaltung unterstützte das Vorhaben und schuf im Rahmen von Sanierungsarbeiten am Merseburger Neumarkt die Voraussetzung, um dort ein Erinnerungszeichen platzieren zu können. Die Örtlichkeit wurde bewusst ausgewählt, da einige der Verfolgten in der Nähe des Platzes gelebt hatten.

Spendengelder ermöglichten die Finanzierung des Gedenkzeichens, das am 18. Dezember 2009 durch den Landrat des Saalekreises, Frank Bannert, eingeweiht wurde. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, konnte aufgrund einer parallelen Gedenkveranstaltung im ehemaligen KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Sachsenhausen der Feierstunde in Merseburg nicht beiwohnen. In einem übermittelten Grußworte betonte er ausdrücklich: „Lokal- und regionalgeschichtliche Forschungen zum Gedenken an die Opfer der NS-Verbrechen sind unverzichtbar. Solche Formen des dezentralen Erinnerns stellen nicht nur einen wichtigen Beitrag für unsere gesamte Erinnerungskultur dar. Sie machen vor allem deutlich, dass es sich bei den verfolgten und ermordeten Menschen um einen integralen Bestandteil der Gesellschaft handelte, die nicht vergessen werden sollen.“

Die Stele am stark frequentierten Weg zum Schlosspark und zum Merseburger Dom soll Passanten zum Innehalten und kurzen Verweilen einladen. Sie war immer wieder Ort der Begegnung zu internationalen Gedenktagen. Gemeinsam gepflegt von der Stadtverwaltung und der Merseburger Geschichtswerkstatt, wirkt sie als lokaler Erinnerungsort und wird methodisch in Schulprojekte eingebunden. Im erschreckenden Kontrast zur lebendigen Wirkung dieses Erinnerungsortes stehen die bis heute nachweislich 10 Schändungen und Zerstörungen der Stele - zuletzt im August 2019. Sie wurde umgestoßen, bespuckt, beworfen, mit einem Hammer beschädigt, mit Hakenkreuzen und Fäkalien beschmiert und niedergelegte Blumengebinde wurden gestohlen. Bereits im Februar und Juli 2010 wurde die Stele aus der Verankerung gerissen bzw. aus dem Betonfundament herausgebrochen. Die Öffentlichkeit der Region reagierte aktiv auf diese Angriffe mit Mahnwachen und Gedenkveranstaltungen.

Um den Denkmalsschändungen ein deutliches Zeichen entgegenzusetzen, fand am 5. September 2010 die Neusetzung der Stele statt. An der Feierstunde nahmen Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Dr. Helga Paschke, die Vizepräsidentin des Landtags von Sachsen-Anhalt, Hartmut Handschak, als Vertreter des Landrats des Saalekreises sowie die Bürgermeisterin von Merseburg, Dr. Barbara Kaaden, teil. Doch bereits im November 2010 wurde die Stele erneut geschändet. Dabei wurde die Oberseite mit der eingravierten Inschrift so stark beschädigt, dass sie mit einer Stahlplatte versehen werden musste. Die ursprüngliche Inschrift wurde mit Laserstrahl dort eingraviert. Nach weiteren Vorfällen wurde im Mai 2011 eine – inzwischen dauerhafte – polizeiliche Videoüberwachung installiert. Doch auch sie vermochte nicht, 2012 und 2013 weitere Schändungen zu verhindern.

Gestaltung

Die Stele wurde vom Merseburger Steinmetzbetrieb Pohl & Weigel angefertigt.

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Internetseite der Geschichtswerkstatt Merseburg am 13.08.2019

Blog Ecoleusti am 13.08.2019

Wir danken dem Geschichtsverein Mersburg für das zur Verfügung gestellte Fotomaterial.

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