Worms, Otto-Wels-Platz

Gedenktafel für die deportierten und ermordeten Wormser Sinti und Roma
  • Blick auf das Mahnmal für die Opfer des Faschismus von der Stephansgasse aus (Foto: Andreas Pflock)
  • Widmungstafel (Foto: Andreas Pflock)
  • Gesamtansicht der Vorderseite der Mahnmals (Foto: Andreas Pflock)
  • Rückseite mit Tafel zu Otto Wels und Gedenktafel für Sinti und Roma (Foto: Andreas Pflock)
  • Gedenktafel für die deportierten und ermordeten Sinti und Roma (Foto: Andreas Pflock)
  • Detailansicht der Gedenktafel (A.Pflock)

Kurzinformation

Gedenktafel für die deportierten und ermordeten Wormser Sinti und Roma

Beschreibung

Die Gedenktafel wurde am Mahnmal für die Opfer des Faschismus angebracht. Es befindet sich auf einer Parkfläche am Lutherring in der Wormser Innenstadt, unterhalb der historischen Stadtmauer und nur wenige Schritte vom Lutherdenkmal entfernt. Das Mahnmal selbst wurde in den 1950er Jahren vom städtischen Hochbauamt errichtet und besteht aus einem roten Sandsteinquader und einem auf Säulen stehenden und mit Rosen berankten Rundbau. Der Ort des Mahnmals wurde am 24. März 2013 nach dem sozialdemokratischen deutschen Politiker Otto Wels benannt, der nach der Machtübernahme der NSDAP die letzte freie Rede im Deutschen Reichstag hielt.

Die 3,7 x 2,9 Meter große Gedenktafel für die deportierten Sinti und Roma besteht aus Bronze und wurde auf der südöstlichen Seite des Steinquaders angebracht. Sie erinnert an die 71 Sinti und Roma aus Worms, die am 16. Mai 1940 deportiert wurden. Die Inschrift lautet: 

"Wider das Vergessen
Zum Gedenken an die Sinti, die hier unter uns lebten - Männer, Frauen und Kinder.
Im Nationalsozialismus wurden sie in die KonzentrationslagerKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". deportiert und ermordet."

Entstehung

Die Initiative für die Anbringung der Gedenktafel ging vom rheinland-pfälzischen Landesverband Deutscher Sinti und Roma aus. Bei einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Verbands, Jacques Delfeld, sicherte der damalige Wormser Oberbürgermeister Gernot Fischer am 21. Juli 1992 zu, sich für die Schaffung eines Erinnerungszeichens einzusetzen. Unmittelbare Unterstützung erfuhr das Vorhaben durch den Direktor des Wormser Stadtarchivs, Dr. Fritz Reuter, der bereits am 23. Juli dem Oberbürgermeister einen Vorschlag für den heutigen Standort unterbreitete: „Das Denkmal für die Opfer des Faschismus am Lutherring ist nur auf der Nordseite mit einer Inschrift versehen. Die übrigen drei Seiten sind frei. Sie bieten sich für Bronzetafeln an, auf denen auch einzelne Gruppen erwähnt werden können, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. So bestünde beispielsweise die Möglichkeit, auf der Südseite des Denkmals eine Platte für Sinti und Roma anzubringen. Da das Denkmal in der Mitte des Platzes steht und Wege von beiden Seiten sowohl auf die Nord- wie auf die Südseite zu führen, würde eine solche Stelle ins Auge fallen. Im Übrigen ist das Denkmal durch seine Rundform dazu angelegt, dass man es umschreitet. Die derzeitige Situation mit den drei leeren Seiten macht ohnehin den Eindruck einer unfertigen Gedenkstätte“.

Dr. Reuter wurde im August 1993 schließlich zum städtischen Ansprechpartner für die Kommunikation und weitere Planung mit dem Landesverband bestimmt. In bemerkenswerter Weise hatte er zudem bei einer Gedenkansprache anlässlich des Jahrestags der Reichspogromnacht am 9. November 1992 an die Verfolgung der Wormser Sinti erinnert, und damit auch ihr Schicksal in die öffentliche Wahrnehmung gerückt: „Der 9. November ist für mich der Anlass, an totalitäre Denkweisen und ihre entsetzlichen Folgen zu erinnern. Vor 50 Jahren wurden auf dem Synagogenplatz in verschiedenen Schüben und an verschiedenen Tagen die letzten Juden aus Worms abtransportiert. Und es sind 52 Jahre her, dass Wormser Sinti aus der Stadt nach Osten in eine unbekannte, meist tödliche Zukunft deportiert wurden. Es ist wichtig, die Fakten zu kennen, um das Geschehen richtig einzuordnen. Vor allem aber mag sich jede und jeder vor Augen halten, dass auch sie
oder er einmal auf der Seite der Bedrohten stehen kann, dass also Unmenschlichkeit nicht immer dem anderen widerfährt, sondern dass jeder von uns selbst Opfer sein kann.“

Bedingt durch personelle Neuausrichtungen beim Landesverband war ein intensiveres Planungsgespräch erst im November 1993 möglich. Dabei wurden drei mögliche Standorte diskutiert: die mit den Deportationen aus Worms in Verbindung stehende alte Polizeidirektion (welche jedoch zum Zeitpunkt der Diskussion vom amerikanischen Militär genutzt wurde), der ehemalige Güterbahnhof als Ausgangspunkt der Deportationen (welcher sehr abgelegen ist) sowie das bereits erwähnte Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Der Landesverband begrüßte den letzteren – auch vom Direktor des Stadtarchivs bevorzugten – Standort, da er neben der zentralen Lage die Möglichkeit bot, in würdigem Rahmen „ein Mahnmal für alle Opfer zu verwirklichen“.

Bedingt durch Abstimmungsbedarf seitens der Stadt Worms zur Finanzierung der Gedenktafel konnte die Einweihung erst im Oktober 1994 erfolgen.
Bei der Feierlichkeit sprachen neben Oberbürgermeister Gernot Fischer und Jacques Delfeld, dem Vorsitzenden des Landesverbands der Sinti und Roma, auch der Holocaust-Überlebende und stellvertretende Verbandsvorsitzende Richard Reinhard. Der Oberbürgermeister betonte dabei: „Gedenktafeln oder Gedenksteine können geschehenes Unrecht nicht wiedergutmachen, aber sie können uns aufrufen und mahnen zur Verantwortung in der Gegenwart.“ Im Anschluss lud die Stadt Worms zu einem Empfang im Rathaus ein.

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte
Archiv des Verbands Deutscher Sinti & Roma – Landesverband Rheinland-Pfalz, Landau

Reuter, Fritz: Unbekannt verzogen? Die DeportationDeportation Bezeichnung für die zwangsweise Um- oder Aussiedlung von Menschen aus ihren Wohngebieten, zum Teil unter Androhung und Anwendung von Gewalt. Während der NS-Zeit wurden ganze Bevölkerungsgruppen wie Juden oder Sinti und Roma zunächst aus dem Deutschen Reich, dann auch aus dem übrigen Europa, in Sammellager, Gettos und Konzentrations- oder Vernichtungslager in die besetzten Ostgebiete deportiert und dort ermordet. Oft wurde dies auch zur Tarnung als "Evakuierung" bezeichnet. der Juden und Sinti aus Worms 1940/1942, in: Sachor. Beiträge zur jüdischen Geschichte in Rheinland-Pfalz, Heft 4, Bad Kreuznach 1994, S. 31-35.

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