Jakob Bamberger

"Ich war mein Leben lang ein Kämpfer."
  • Jakob Bamberger (links) mit seiner Mutter und seinen Geschwistern, Aufnahme ca. Ende der 1920er Jahre (Foto: Mario Bamberger)

Geboren wurde Jakob Bamberger am 11. Dezember 1913 in Königsberg (heute Kaliningrad, Russland) als Sohn der Sinti Maria (geb. Weinlich) und Julius Bamberger. Bei den Sinti war er vor allem unter seinem Spitznamen „Weidemann“ bekannt, später im Boxsport als „Jonny“. Er wuchs mit sieben Geschwistern auf, zu denen er eine enge Beziehung pflegte. Die Familie führte ein Wanderkino und sein Vater verdiente zusätzlich Geld durch einen Pferdehandel.

Die wirtschaftliche Situation der Familie war gut, sodass sie 1933 in Frankenthal/Pfalz ein eigenes Haus in der Amalienstraße 4 (heute Erzbergerstraße) kaufte. 1935 wurde der Familie der Betrieb des Wanderkinos verboten. Die Ausgrenzungen durch die Nationalsozialisten wurden im Alltag immer spürbarer.

Die große Leidenschaft


„Das hat es noch nie gegeben in der Geschichte der Sinti, dass ein Junge weggeht von seinen Eltern, nur des Sportes halber […] Ich habe furchtbar darunter gelitten, von meinen Leuten getrennt zu sein.“ (Boström, 156)

1933 begann Jakob Bamberger mit dem Boxen und entdeckte damit seine große Leidenschaft. Schon 1934 gehörte er zur Kernmannschaft für die Olympischen Spiele 1936, von denen er durch die Nationalsozialisten jedoch später aus „rassischen Gründen“ ausgeschlossen wurde. Um seine Boxkarriere weiterzuverfolgen, musste er seine Familie verlassen und zog nach Frankfurt und anschließend nach Würzburg, was ihm aufgrund der Trennung von Familie und Freunden nicht leichtfiel. In Frankfurt arbeitete er von 1935 bis 1939 bei der Eisenbahn.

Als Boxer in den 1930er Jahren (Foto: Mario Bamberger)

Auch wenn Jakob Bamberger bis 1940 zu den deutschen Spitzenboxern in der Kategorie Fliegengewicht gehörte, konnte er der zunehmenden Diskriminierung von Sinti und Roma im Sport nicht entkommen. 1938 und 1939 wurde er Vize-Meister seiner Gewichtsklasse, 1940 wurde er nur noch Dritter. Dazu sagte er nach dem Krieg: „Ich habe nicht nur gegen meine Gegner boxen müssen, ich habe auch den Ringrichter gegen mich gehabt, ich war ja als ‚Zigeuner‘ bekannt.“ (Boström, S. 157)

Verfolgung

Bereits ab 1940 begannen die NS-Behörden damit, die Familie Bamberger zu zerstören. Zunächst wurde der Vater am 6. April 1940 verhaftet und in das KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Dachau verschleppt. Von dort aus brachte man Julius Bamberger Anfang September 1940 für einige Tage nach Sachsenhausen und schließlich am 12. Juli 1941 in das KZ Buchenwald. Die Verhaftung des Vaters war für den Rest der Familie ein Warnsignal.

Mit seiner Mutter und drei Geschwistern floh Jakob Bamberger in die Tschechoslowakei. Doch er wurde entdeckt, von seiner Familie getrennt und vermutlich in Olmütz (heute Olomouc, Tschechische Republik) verhaftet. Seine Mutter und Geschwister kehrten darauf nach Frankenthal zurück, bis sie im Frühjahr 1943 verhaftet und deportiert wurden.

Jakob Bamberger wurde schließlich am 5. Januar 1942 in das KonzentrationslagerKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Flossenbürg gebracht. Mit einem Transport von 200 „Häftlingsfacharbeitern und Hilfsarbeitern“ verschleppte ihn die SSSchutzstaffel Die Schutzstaffel (kurz: SS) war 1925 als persönliche Leibwache Hitlers gegründet worden. Den höchsten Dienstgrad innerhalb der SS stellte seit 1934 der „Reichsführer SS“ dar. Bis 1945 nahm Heinrich Himmler diese Position ein. Unter seiner Leitung wurde die SS zu einer Eliteeinheit aufgebaut, die zum zentralen Instrument des staatlichen Terrors wurde. Die SS hatte im Rahmen der „Endlösung“ maßgeblichen Anteil am Völkermord an den europäischen Juden sowie den Sinti und Roma. rund ein Jahr später, am 9. Februar 1943, in das KZ-Außenlager Augsburg-Haunstetten. Dort mussten die Gefangenen ZwangsarbeitZwangsarbeit Bezeichnung für die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft ohne oder mit nur sehr geringer Bezahlung. Das nationalsozialistische Deutschland schuf mit insgesamt über 12 Millionen Zwangsarbeiter*innen eines der größten Zwangsarbeitssysteme der Geschichte. Neben Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen wurden Millionen von Zivilisten aus besetzten Staaten Europas größtenteils verschleppt und von der deutschen Industrie als Zwangsarbeiter*innen missbraucht. für die Firma Messerschmidt leisten.

Da das Außenlager dem KZ Dachau unterstellt war, wurde Jakob Bamberger wenige Tage später, am 14. Februar, offiziell in der Verwaltung des KZ Dachau mit der Nummer 43.643 registriert. In den verschiedenen Lagern musste er schwere Misshandlungen durch die SS über sich ergehen lassen, u.a. insgesamt 75 Stock- oder Peitschenhiebe. Er überstand diese unmenschliche FolterTortur Andere Bezeichnung für "Folter", „Quälerei“ oder „Strapaze“., hatte aber sein Leben lang dadurch mit Rückenbeschwerden zu kämpfen.

Meerwassertrinkversuche


Schon in Dachau hatte ich die Schmerzen, habe aber nichts gesagt,
habe mich immer zum Arbeitseinsatz gemeldet.
Wir haben ja gesehen, was sie mit den Leuten gemacht haben,
die nicht mehr arbeitsfähig waren […], die kamen ja nicht mehr zurück.“

(Boström, S. 157)

In Dachau musste Jakob Bamberger noch eine schlimmere TorturTortur Andere Bezeichnung für "Folter", „Quälerei“ oder „Strapaze“. erleben. Im Sommer 1944 wurde er für Meerwassertrinkversuche missbraucht, um festzustellen, welche Überlebensmöglichkeiten in Seenot beim Trinken von Meerwasser bestehen. Nach dem Krieg beschrieb er, dass etwa 40 Männer in einen Raum gesperrt wurden und kein Essen, sondern lediglich Salzmeerwasser bekamen. Er erinnerte sich an große, starke Sportler, die bereits nach vier oder fünf Tagen umfielen und aus dem Versuch genommen wurden. Durch seine – trotz der KZ-Haft – noch gute Kondition und sein trainiertes Sportlerherz hielt er die Versuche 14 Tage lang durch. Bereits in Dachau litt Jakob Bamberger jedoch unter starken Schmerzen in seiner Niere, die durch die Versuche verursacht wurden.

Befreiung

Am 17. November 1944 wurde Jakob Bamberger mit einem Häftlingstransport nach Buchenwald gebracht. Er konnte nicht ahnen, dass er dort seinen Vater wiederfinden sollte, der die zurückliegenden Jahre im Konzentrationslager überlebt hatte. Auf einem TodesmarschTodesmarsch Bezeichnung für die von der SS in den letzten Monaten vor Kriegsende veranlassten Zwangsmärsche und Zwangstransporte von KZ-Häftlingen in weiter von der Front entfernte Konzentrationslager. Viele Gefangene starben während dieser Transporte und Gewaltmärsche an Entkräftung oder wurden von den Wachmannschaften an der Wegstrecke erschossen. von Buchenwald nach Flossenbürg wurden beide im Frühjahr 1945 von US-amerikanischen Soldaten befreit. Jakob Bambergers Mutter und eine Schwester waren hingegen ermordet worden.

Weiterleben

Nach dem Kriegsende handelte Jakob Bamberger mit Textilien. 1946 lernte er seine Frau kennen und heiratete diese noch im selben Jahr. Das gemeinsame Glück hielt aber nur kurz an: 1949 starb seine Frau an den Folgen ihrer KZ-Haft. Dieser Verlust traf Jakob Bamberger schwer. Sein Leben lang blieb er alleinstehend. Anfang der 1950er Jahre begann er wieder mit dem Boxen und erhielt vom Süddeutschen Box Verband das Goldene Ehrenabzeichen.

Jakob Bamberger, 1965 (Foto: Mario Bamberger)
Jakob Bamberger vermutlich in Mannheim, 1974 (Foto: Mario Bamberger)

1954 gab er im Alter von 41 Jahren seine große Leidenschaft auf, denn die Nieren- und Rückenschmerzen wurden immer unerträglicher. Jakob Bamberger beantragte daraufhin Wiedergutmachung. Es dauerte mehr als 15 Jahre (!), bis ihm 1969 eine Entschädigung zuerkannt wurde. Mit einem körperlichen Schaden von 80% (1967 musste eine Niere entfernt werden) war er schwer von den Jahren im KZ gezeichnet. Eine Zeit lang betrieb er in Mannheim-Rheinau einen Kiosk. Angehörige beschrieben ihn als aufbrausenden, aber sehr mitfühlenden Menschen, der für seine Rechte und die seiner Mitmenschen immer einstand und Unrecht nicht ertragen konnte.

Bürgerrechtsbewegung

In den 1970er-Jahren engagierte sich Jakob Bamberger in der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma. Ihre Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten waren zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht offiziell anerkannt. Viele Überlebende erhielten keine Wiedergutmachung, und Sinti und Roma litten weiterhin unter Vorurteilen und gesellschaftlicher Diskriminierung. Jakob Bamberger beteiligte sich an Protestaktionen, um daran etwas zu ändern, ob 1981 in der Universität Tübingen oder 1983 vor dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden.

Mit Romani Rose, der ihm bei seinem Entschädigungsantrag geholfen hatte, und neun weiteren Sinti begann er am 4. April 1980 einen mehrtägigen Hungerstreik in der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau. Als die zuständige Verwaltungsbehörde den Hungerstreik verbieten wollte, protestierte er dort. Später sagte er: „Da hätten diese Kerle in Bayern sich tatsächlich getraut, mir nach allem, was ich durchgemacht habe, zu verbieten, jetzt freiwillig ins Lager zu gehen.” (Bamberger, S. 146)

Der Hungerstreik sorgte in Westdeutschland und durch ein großes Echo weltweit dafür, dass die politische und gesellschaftliche Diskussion um die Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma nach Jahrzehnten des Verdrängens in Gang kam. 1982 erfolgte schließlich dessen Anerkennung durch die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt.
Jakob Bamberger war stolz darauf, dass er jetzt, da er in Freiheit lebte, überhaupt die Möglichkeit hatte, für seine Rechte und die der anderen Sinti und Roma zu kämpfen. Die Bürgerrechtsarbeit war wichtig für ihn, um sich aktiv für eine bessere Zukunft auf Grundlage der Aufarbeitung und Freundschaft und nicht auf Grundlage des Hasses zu engagieren. Jakob Bamberger war Ehrenvorsitzender des 1982 gegründeten Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Er starb am 15. Februar 1989 in Plankstadt bei Heidelberg.

Quellenangaben

Der Beitrag zur Lebensgeschichte von Jakob Bamberger wurde von Noah Douglas, Cara Janke und Mia Purrucker (Gymnasium Englisches Institut Heidelberg) im Rahmen eines Gedächtnisblattes für das Projekt „Namen statt Nummern. Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau“ erarbeitet und am 22. März 2024 übergeben.

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Lebenswege
Auskunft des Stadtarchivs Frankenthal vom 7. März 2024
Arolsen Archives: DocID 5470837 bis 5470851, 130430599 und 10800301
Interview mit Mario Bamberger in Heidelberg am 23.3.2023
Interview mit Romani Rose in Heidelberg am 3.7.2023

Boström, Jörg u.a.: Das Buch der Sinti. „Nicht länger stillschweigend das Unrecht hinnehmen!“, Berlin 1991
Bamberger, Jakob: Und mir wollten sie den Hungerstreik verbieten, in: PogromPogrom Bezeichnung für einen gewalttätigen Übergriff auf eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe. Der Begriff bedeutet "Verwüstung" oder "Zerstörung".. Zeitschrift für bedrohte Völker, Nr. 80/81 (März/April 1981), Sonderausgabe Welt-Roma-Konferenz, hrsg. von der Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen 1981, S. 144-146
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma (Hrsg.) „45 Jahre Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma“. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Heidelberg 2017

https://zentralrat.sintiundroma.de/zentralrat/geschichte-der-organisation/ zuletzt am 5.3.2024
https://www.sintiundroma.org/de/ausgrenzung-nach-1945/bu%CC%88rgerrechtsbewegung/rasseakten-uni-tu%CC%88bingen/ zuletzt am 5.3.2024

Fotos: Mario Bamberger und Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg

Wir danken Mario Bamberger für die freundliche Unterstützung und Beratung sowie Frau Kaufmann und Frau Sohr (Stadtarchiv Frankenthal), Reinhold Forster (Geschichtsagentur Augsburg) und Dr. Felix Bellaire (Fachstelle für Erinnerungskultur Stadt Augsburg) für die freundliche Unterstützung bei Detailrecherchen.

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