Schwarzenpfost, KZ-Außenlager

Zwangsarbeit von Sintize und Romnja im Außenlager des KZ Ravensbrück
  • Blick auf den Ortsteil Oberhagen aus Richtung Osten. In der Bildmitte, links neben der Straße, das ehemalige Areal des Außenlagers. (Foto: Andreas Pflock)
  • Blick auf das ehemalige Areal des Außenlagers aus Richtung Westen (Foto: Andreas Pflock)
  • 1964 eingeweihter Gedenkstein beim ehemaligen Lagergelände, Er erinnert an acht bei Evakuierungsmärschen ermordete KZ-Häftlinge. (Foto: Andreas Pflock)

Kurzinformation

Zwangsarbeit von Sintize und Romnja im Außenlager des KZ Ravensbrück

Rund 15 Kilometer nordöstlich von Rostock existierte bei Rövershagen das Außenlager „Schwarzenpfost“ (auch als „Rövershagen“, „Schwarzenforst“ und von der örtlichen Bevölkerung als „Steinheide“ bezeichnet) des KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Ravensbrück. Angesichts fehlender zeitgenössischer Dokumente können nur wenige konkrete Aussagen zur Lagergeschichte getroffen werden. Das Außenlager entstand im Ortsteil Oberhagen und war vermutlich für die Unterbringung von 300 weiblichen Häftlingen vorgesehen. Neben einem Gebäude für die Lagerverwaltung waren fünf Baracken errichtet worden und von einem elektrischen geladenen Stacheldrahtzaun und drei Wachtürmen umgeben. Täglich mussten die Häftlingsfrauen von dort aus einen rund drei Kilometer langen Fußmarsch zum Zwangsarbeitseinsatz in einen verlagerten Betrieb der Heinkel AG an der heutigen Bundesstraße 105 zurücklegen.

Entstehung

Nach alliierten Luftangriffen hatte 1943 die Heinkel AG in Rostock-Marienehe damit begonnen, Teile ihrer kriegswichtigen Flugzeug-Produktion aus dem Rostocker Stammwerk in vermeintlich bombensichere Regionen zu verlegen. Die Heinkel-Werke waren das erste deutsche Rüstungsunternehmen, das KZ-Häftlinge als Zwangsarbeitskräfte einsetzte. Bereits ab 1941 forderte die Betriebsleitung eines weiteren Standorts in Oranienburg Häftlinge aus dem nahegelegenen KonzentrationslagerKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Sachsenhausen als Arbeitskräfte an. Das dortige Werk entwickelte sich schließlich zum größten Außenlager des KZ Sachsenhausen. Vermutlich ab Spätherbst 1944 begann auf einem 97 Hektar großen Areal der Rostocker Heide zwischen Rövershagen und Gelbensande, nördlich der heutigen Bundesstraße 105, der Bau eines Heinkel Verlagerungsbetriebs mit dem Tarnnamen ,,Robert". Darauf deutet ein Schreiben der Hauptverwaltung der Ernst Heinkel AG an die Rostocker Forstverwaltung vom 10. Januar 1945 hin, in dem ein Mietvertrag für den „zurzeit“ errichteten Betrieb angesprochen wird. Auf dem Werksgelände entstanden u.a. eine Küche, mehrere Produktionshallen sowie eine Lorenbahn zum Transport der Flugzeugteile. Dabei diente der vorhandene Baumbestand als Tarnung. Aussagen legen nahe, dass die ersten Bauarbeiten von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sowie männlichen KZ-Häftlingen durchgeführt werden mussten, die täglich unter strenger Bewachung aus Rostock nach Schwarzenpfost gebracht wurden.

Leben im Lager

Die ersten weiblichen KZ-Häftlinge trafen vermutlich im Herbst 1944 im KZ-Außenlager ein. Vor allem ab Jahresanfang 1945 trafen weitere Frauen-Gruppen aus dem rund 40 Kilometer entfernten KZ-Außenlager Barth ein. Täglich mussten die Frauen vom Barackenlager in Oberhagen einen etwa zwei Kilometer langen Fußmarsch zur ZwangsarbeitZwangsarbeit Bezeichnung für die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft ohne oder mit nur sehr geringer Bezahlung. Das nationalsozialistische Deutschland schuf mit insgesamt über 12 Millionen Zwangsarbeiter*innen eines der größten Zwangsarbeitssysteme der Geschichte. Neben Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen wurden Millionen von Zivilisten aus besetzten Staaten Europas größtenteils verschleppt und von der deutschen Industrie als Zwangsarbeiter*innen missbraucht. nach Schwarzenpfost bewältigen. Die Bulgarin Mara Göbelsmann, geb. Zanewa Beltschewa, wurde von Ravensbrück nach Schwarzenpfost gebracht und erinnerte sich: „Ich kam dann mit einem großen Transport russischer kriegsgefangener Mädchen und Frauen in das Lager Schwarzenpfost, das in der näheren Umgebung der deutschen Stadt Rostock lag, bei Rövershagen. Auch hier Wachtürme, doch diesmal aus Holz. Und statt der hohen Lagermauer ein dichter Stacheldrahtzaun. Die Baracken waren provisorisch gebaut und zu unserem Unglück war es ein nasser Frühling. Jeden Tag hat es furchtbar geregnet. Alle Strohsäcke waren ganz nass, unsere einzigen Decken durchweicht. Wir mussten wie in Ravensbrück vier Stunden täglich Appell stehen und wurden ganz nass. Aber andere Kleidung wurde uns nicht gegeben. Täglich waren immer einige krank durch Erkältung und schlechte Ernährung. […] Auch die SSSchutzstaffel Die Schutzstaffel (kurz: SS) war 1925 als persönliche Leibwache Hitlers gegründet worden. Den höchsten Dienstgrad innerhalb der SS stellte seit 1934 der „Reichsführer SS“ dar. Bis 1945 nahm Heinrich Himmler diese Position ein. Unter seiner Leitung wurde die SS zu einer Eliteeinheit aufgebaut, die zum zentralen Instrument des staatlichen Terrors wurde. Die SS hatte im Rahmen der „Endlösung“ maßgeblichen Anteil am Völkermord an den europäischen Juden sowie den Sinti und Roma.-Aufseherinnen schlugen bei jeder Kleinigkeit, besonders beim täglichen Fußmarsch zur Arbeitsstelle, einer unterirdischen Waffenfabrik, die mitten in einem Walde lag. Nicht lange nach unserer Ankunft wurden zweihundert Frauen und Mädchen aus dem berüchtigten Konzentrationslager Barth zu uns gebracht.“  (Klawitter 2006, Die dunklen Jahre, S. 59) Die Unterkunftsbaracken waren primitiv, nicht isoliert und boten kaum Schutz vor Nässe und Kälte. Auch die hygienischen Bedingungen waren katastrophal, da es kein fließendes Wasser und keine sanitären Anlagen gab. Trinkwasser musste mühevoll aus einem Brunnen geschöpft werden, war jedoch auch nach einem improvisierten Filtern und Abkochen kaum genießbar. Die Gefangenen mussten täglich zwölf Stunden schwere körperliche Zwangsarbeit in den Flugzeugwerken leisten, und für viele der ohnehin entkräfteten Frauen wurde die Wegstrecke zwischen Lager und Werksgelände zu einer TorturTortur Andere Bezeichnung für "Folter", „Quälerei“ oder „Strapaze“.. Informationen über mögliche Todesopfer sind in Ermangelung von Dokumenten jedoch nicht überliefert. Aus selbem Grund schwanken die Angaben der inhaftierten Frauen stark zwischen 300 und 1.400. Es ist jedoch anzunehmen, dass ihre Anzahl angesichts der Transporte aus dem aufgelösten Außenlager Barth gegen Kriegsende stark zugenommen haben dürfte. Möglicherweise wurden kurzfristig auch männliche KZ-Häftlinge in den Baracken des Außenlagers untergebracht.

TodesmarschTodesmarsch Bezeichnung für die von der SS in den letzten Monaten vor Kriegsende veranlassten Zwangsmärsche und Zwangstransporte von KZ-Häftlingen in weiter von der Front entfernte Konzentrationslager. Viele Gefangene starben während dieser Transporte und Gewaltmärsche an Entkräftung oder wurden von den Wachmannschaften an der Wegstrecke erschossen.

Aufgrund der näher rückenden sowjetischen Truppen fällte die Lagerleitung in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 1945 die Entscheidung, das Außenlager zu räumen. Die Gefangenen wurden zu Fuß an die Ostseeküste über Markgrafenheide in Richtung Hohe Düne getrieben. Frauen, die das Marschtempo nicht mithalten konnten, wurden von der SS erschossen. Als die Angehörigen der Wachmannschaft erfuhren, dass sowjetische Truppen bereits Warnemünde erreicht hatten, flohen sie und ließen die Häftlinge zurück.

Sinti und Roma in Schwarzenpfost

Nach dem gegenwärtigen Stand von Recherchen konnten elf Frauen namentlich ermittelt werden, die in Schwarzenpfost inhaftiert waren und zur Gruppe der Sinti und Roma gehörten. Die Sintiza Martha Bohn charakterisierte die Lebensbedingungen im Außenlager in einer Aussage vom 1. Oktober 1961 mit drastischen Worten: „Die Behandlung war nicht zu ertragen, wir alle wünschten, dass wir recht bald sterben würden. Schläge waren an der Tagesordnung.“ (Klawitter 2006, Die dunklen Jahre, S. 93)

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Tatorte
Arolsen Archives: 87765733, 87765735, 87765737, 87765738

Heinisch, Ingrid: „Damit das nicht wieder vergessen wird.“ Schüler aus Gelbensande bei Rostock sichern Spuren der NS-Vergangenheit, online: neues-deutschland.de, https://www.nd-aktuell.de/artikel/73755.damit-das-nicht-wieder-vergessen-wird.html?action=print am 7.3.2023.
Klawitter, Petra: Rostock-Schwarzenpfost, in: Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 4: Flossenbürg, Mauthausen, Ravensbrück, München 2006, S.  595f.
Dies.: Die Dunklen Jahre von Schwarzenpfost, online: Europaschule Rövershagen, http://www.rsg-roev.de/europaschule/kriegsgraeber/schwarzenpfost  am 7.3.2023.
Dies.: Die Dunklen Jahre von Schwarzenpfost. Gelbensander Schüler erforschen deutsche Geschichte, Rostock 2006.
Dies./Klawitter, Holger (Hrsg.): KZ-Außenlager Schwarzenpfost – Schicksale von Häftlingen und Zwangsarbeitern. Spurensuche der Projektgruppe "Kriegsgräber" der Regionalen Schule Gelbensande(Beispiele und Praxis, Pädagogische Handreichung - Arbeit für den Frieden), Kassel 2005.
Dies./Klawitter, Holger (Hrsg.): Spurensuche. Pilotprojekt der Regionalen Schule Gelbensande (Beispiele und Praxis, Pädagogische Handreichung - Arbeit für den Frieden), Kassel 2003.
Revier Meierhausstelle, online: Ortschroniken M-V, https://www.ortschroniken-mv.de/index.php?title=Revier_Meiershausstelle&oldid=44259 am 7.3.2023.
Schwarzenpfost, Gedenkstätte – Mecklenburg-Vorpommern, online: Stadt und Land Fotos, https://stadt-und-land.photos/album/schwarzenpost-gedenkstaette-mecklenburg-vorpommern am 7.3.2023.
Strebel, Bernhard: Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes, Paderborn 2003.

Wir danken Petra Klawitter und den beteiligten Schülerinnen und Schülern AG „Kriegsgräber“ der Europaschule Rövershagen für das Engagement bei der Erforschung und Sichtbarmachung des Außenlagers Schwarzenpfost sowie die freundliche Unterstützung und Einsichtnahme in ihre Recherchematerialien.

Internetseite der AG Kriegsgräber

 

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