Beschreibung
Das Denkmal wurde in unmittelbarer Nähe zum Magdeburger Dom, im nördlichen Teil des Parks am Fürstenwall errichtet. Es besteht aus einer Beton-Grundplatte von 7 x 6,5 Metern, aus der der Stumpf eines weißen Marmorblocks von 50 x 50 cm Stärke und etwa 1,50 m Höhe ragt. In der Mitte der Grundplatte befindet sich ein Edelstahlprisma, von dem aus die Grundplatte durch Spalten in sechs Teile geteilt ist. Der abgebrochene Teil des Marmorblocks von etwa fünf Meter Länge liegt mit dem einen Ende über der scharfkantigen Seite des Edelstahlprismas. Vorne links, vor dem Rest des Marmorblocks, befindet sich auf der Grundplatte eine Schrifttafel aus weißem Marmor mit folgender Inschrift:
„Zum Gedenken an die von 1933 bis 1945 verfolgten und ermordeten Magdeburger Sinti und Roma. Sie wurden Opfer des Völkermordes in Auschwitz und in anderen Vernichtungslagern.“
Der Künstler Wolfgang Roßdeutscher, erklärt zu dem von ihm entworfenen Denkmal
„Der Steinblock steht für eine intakte und stabile Familiengemeinschaft. Dieser Block wird durch Gewalteinwirkung umgestoßen und ein Stück bricht ab. Dieser Bruch tief verwurzelter Familienstrukturen bedeutet nicht nur die Zerstörung von Familien. Die Lebenskultur und das Lebensgefühl als deutsche Sinti und Roma werden vernichtet. Der Bruch steht auch für die Ermordung vieler einzelner Menschen. Der abgeschlagene Teil des Blockes bei aller Verletzung und Beschädigung birgt doch einen Funken Hoffnung in sich. Das Denkmal symbolisiert den VölkermordVölkermord Bezeichnung für die vorsätzliche Ermordung, Ausrottung oder anderweitige Vernichtung von Volksgruppen aufgrund ihrer vermeintlich rassischen, ethnischen oder sozialen Merkmale, ihrer Nationalität oder religiösen Überzeugungen. 1948 verabschiedeten die Vereinten Nationen einen völkerrechtlichen Vertrag über die Verhütung und die Bestrafung von Völkermorden., die Vernichtung in den Konzentrationslagern der Nazis ebenso wie die zaghafte aufkeimende Hoffnung in floraler Symbolik.“
300 symbolische Urnensteine mit Namen und Todesdaten der deportierten Männer, Frauen und Kinder, wurden nach der Enthüllung des Denkmals auf der Grundplatte des Denkmals abgelegt. Heute werden sie in einer Truhe im Magdeburger Dom, im Altar der Heilig-Grab-Kapelle, aufbewahrt.
Entstehung
Das Denkmal vor dem Magdeburger Dom war das erste Mahnmal, das in den neuen Bundesländern zur Erinnerung an die nationalsozialistische Verfolgung von Sinti und Roma errichtet wurde. Die Initiative dafür ging vom Schriftsteller und DDR-Bürgerrechtler Reimar Gilsenbach aus. Bereits im Januar 1981 hatte er den 1. Sekretär des Kulturbundes bei der Bezirksleitung Magdeburg aufgefordert, sich für eine entsprechende Gedenktafel einzusetzen. Gilsenbachs Anregung stieß jedoch auf Ablehnung. Im März 1985 richtete er eine Eingabe an der Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker. Darin schlug er u.a. vor, in Berlin-Marzahn und Magdeburg Erinnerungsorte an die Verfolgung der Sinti und Roma zu schaffen. Sein Handeln zeigte Erfolg, denn der Rat der Stadt Magdeburg hielt im November 1988 fest, ein Denkmal „für die durch die Faschisten verfolgten und ermordeten Sinti“ aufstellen zu wollen. Mit der weiteren Vorbereitung wurden der Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres sowie der Stadtrat für Kultur beauftragt.
Gilsenbach selbst begann mit der Erforschung der Schicksale der Magdeburger Sinti. Er wertete umfangreiches Aktenmaterial aus und stellte 1988 eine erste Liste mit den Namen der Ermordeten zusammen. Um der Forderung nach einem sichtbaren Erinnerungszeichen weiteren Nachdruck zu verleihen, fertigte Gilsenbach gemeinsam mit dem Berliner Künstler Pee Rattey einen Entwurf für „Ein Triptychon als Sinti-Denkmal für Magdeburg“ an. Der Rat der Stadt Magdeburg hatte zwischenzeitlich jedoch den renommierten Bildhauer Wolfang Roßdeutscher für den Entwurf eines Denkmals gewinnen können.
Die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der Wiedervereinigung verzögerten schließlich die Realisierung des Denkmals. 1997 kontaktierte die Stadtverwaltung den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma mit dem Ziel, das gesamte Vorhaben schnellstmöglich umzusetzen. In einem Schreiben vom 15. Mai formulierte der damalige Oberbürgermeister Dr. Polte: „Die Stadt Magdeburg hat eine Schuld an den Sinti und Roma abzutragen. In einem ZwangslagerZwangslager Nationalsozialistische Zwangslager für Sinti und Roma (häufig auch als „Zigeunerlager“ bezeichnet) entstanden ab Mitte der 1930er Jahre in zahlreichen deutschen Großstädten, wie u.a. in Köln, Düsseldorf, Fulda, Hamburg, Hannover, Köln und Magdeburg. Ihre Planung, Errichtung und ihr Betrieb gingen auf Initiativen kommunaler Behörden zurück. Die Lager waren meist polizeilich bewacht und dienten der Konzentration und Erfassung von Sinti und Roma, ihrer Rekrutierung als Zwangsarbeitskräfte sowie der Trennung der Insassen von der sogenannten "Volksgemeinschaft". Mit der zunehmenden Radikalisierung der Verfolgungsmaßnahmen dienten die Zwangslager letztendlich als Sammellager für die Deportationen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. am Holzweg zusammengetrieben und streng bewacht, ging Anfang März 1943 ein Transport mit 470 Frauen, Männern und Kindern in die Gaskammern des Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. […] Der Standort des ehemaligen Lagers am Stadtrand, jetzt gewerblich bzw. landwirtschaftlich genutzt, erschien für eine Ehrung der Sinti und Roma unangemessen. Nach gründlichem Abwägen ist nun gleichfalls im Stadtzentrum ein markanter Platz für ein künstlerisch gestaltetes Denkmal gefunden.“
Dem daran anschließenden Wunsch einer Beteiligung an den weiteren Realisierungsschritten kam der Zentralrat nach und konnte den Magdeburger Oberbürgermeister Dr. Polte im Juli 1997 zu einem Arbeitsgespräch und einem Besuch der ständigen Ausstellung in Heidelberg begrüßen. In Magdeburg selbst wurde der Prozess um die Denkmals-Errichtung mit einer Vorstellung des Entwurfs und einer Diskussion um einen möglichen Standort im Rahmen einer Sitzung am 4. September 1997 eröffnet.
Als Standort wurde schließlich eine Fläche in unmittelbare Nähe des Doms bestimmt. Nach einem ökumenischen Gottesdienst im Dom und der Eröffnung der Ausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma über den NS-Völkermord (unter Teilnahme von Ministerpräsidenten Höppner) wurde das Denkmal am 29. Oktober 1998 nach Ansprachen des Oberbürgermeisters Dr. Willi Polte, des Zentralratsvorsitzenden Romani Rose und des Auschwitz-Überlebenden Reinhard Florian feierlich eingeweiht.
Nach der Enthüllung wurden über 300 symbolische Urnensteine mit Namen und Todesdaten von deportierten Magdeburger Sinti und Roma auf der Grundplatte abgelegt. Die Urnensteine befinden sich heute im Magdeburger Dom.
Gestaltung
Der Bildhauer Wolfgang Roßdeutscher wurde 1945 in Magdeburg geboren und wuchs in einem Steinmetz- und Steinbildhauerbetrieb auf. Zwischen 1962 und 1965 absolvierte er eine Lehre als Steinmetz und Steinbildhauer und studierte von 1968 bis 1973 an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden. Seine bevorzugten Materialien sind Stein und Bronze. Wolfgang Roßdeutscher arbeitet für private und öffentliche Auftraggeber und schuf zahlreiche Kunstwerke im öffentlichen Raum. Er betreute Symposien, nahm an dem Wettbewerb für die Rekonstruktion des Magdeburger Rolands sowie im Kontext der Weltausstellung „EXPO 2000“ an dem Projekt Wasserspuren in der Stadt Hannoversch Münden teil.
Der Künstler wohnt und arbeitet im Magdeburger Stadtteil Sohlen. Zu seinen Werken zählen u.a.:
- Plastiken auf dem Gelände der Gedenkstätte des KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Außenlagers Langenstein-Zwieberge (ab 1980)
- Plastik „Aufsteigende weibliche und stürzende männliche Figur“ an der Stadtmauer von Gera (1983)
- Bake Epithap im Magdeburger Dom (2002)
- Plastikgruppe „Dialog“ am Gymnasium Blankenburg (2004)
- Gedenkstele für das Zwangsarbeiterlager Diana, 2005
- Skulptur des Schutzgottes Heimdall in Thale (2006/2007)
- Gedenkstele am Ort des ehemaligen Zwangslagers für Sinti und Roma am Magdeburger Holzweg/Silberberg
Quellenangaben
Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte; Nachlass Gilsenbach NG O 60
Internetseite von Wolfgang Roßdeutscher am 20.08.2019