Hövelhof, Schloßstraße

Gedenkstein für das Sinti-Mädchen Rosa Böhmer
  • Gedenkstein für Rosa Böhmer (Foto: Andreas Pflock)
  • Gedenkstein vor der Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Foto: Andreas Pflock)
  • Gesamtansicht der von Josef Rikus gestalteten Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Foto: Andreas Pflock)
  • Detailansicht der von Josef Rikus gestalteten Sandsteinplatten (Foto: Andreas Pflock)
  • Findling mit Inschrift als Teil der Gedenkstätte (Foto: Andreas Pflock)

Kurzinformation

Gedenkstein für das Sinti-Mädchen Rosa Böhmer

Beschreibung

Der Gedenkstein für Rosa Böhmer befindet sich in der Ortsmitte von Hövelhof an der Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Sie wurde auf dem Areal des einstigen Jagdschlosses der Paderborner Fürstbischöfe – dem historischen Kern des Ortes – errichtet, von dem aus sich seit 1661 die heutige GemeindeKommune / Gemeinde Bezeichnung für die kleinste öffentliche Verwaltungseinheit in der Organisation eines Staates. Hövelhof entwickelte. An der Stelle der Gedenkstätte war bereits 1927 ein erstes „Kriegerdenkmal“ errichtet worden, das durch das heutige Ensemble mit der Einweihung am 17. Juni 1966 schließlich ersetzt wurde.

Geschaffen vom Paderborner Bildhauer Josef Rikus besteht es aus einem großen Findling mit der Inschrift „Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ sowie fünf 2x2 Meter hohen, in einem Rondell angeordneten Sandsteinplatten. Auf ihnen werden Tod, Krieg und Vernichtung dargestellt. Die Gestaltung der Steine deutet auf die Erlösung des irdischen Schicksals durch die Kraft des Glaubens und verweist damit auf die christliche Vorstellung der Auferstehung.

Die Gedenkstätte erinnert an die Hövelhofer Opfer und Vermissten des Ersten und des Zweiten Weltkrieges ebenso wie an die Opfer des Nationalsozialismus. Sie verweist zudem auf die russischen Gefangenen und Opfer des nahegelegenen Kriegsgefangenenlagers Stukenbrock. Seit ihrer Einweihung ist die Gedenkstätte Mittelpunkt der alljährlichen Gedenkfeiern zum Volkstrauertag unter Beteiligung von örtlichen Vereinen und Schulen sowie dem Volksbund Deutsche Kriegsgräber Fürsorge.

Die Gedenktafel besteht aus schwedischem Granit und trägt die Inschrift:
„Rosa Böhmer aus Hövelhof, 10 Jahre alt, 1943 in Auschwitz ermordet.“

Rosa Böhmer erblickte am 22. September 1933 in Gelsenkirchen das Licht der Welt. Nachdem ihre Eltern verhaftet worden waren, nahm schließlich im April 1939 die Familie Hunke in Hövelhof das Mädchen als Pflegekind auf. Im März 1943 wurde Rosa Böhmer nach Auschwitz deportiert. Ihre Pflegeeltern versuchten vergeblich, das Mädchen wieder zurückzuholen. Am 13. August 1943 wurde Rosa Böhmer in Auschwitz ermordet.

Entstehung

Der Geschichtslehrer Hubert Schier, der in seiner Jugend gemeinsam mit Rosa Böhmer eine Klasse an der Hövelhofer Kirchschule besucht hatte, widmete ihrem Schicksal ein Kapitel in seinem 2004 erschienenen Buch „Menschenschicksale zur Zeit des Nationalsozialismus in der Senneregion“. Damit schuf er zugleich die Voraussetzung für das heutige Gedenken an das Sinti-Mädchen.

Die Idee für die Gedenktafel geht auf den Hövelhofer SPD-Kreistagsabgeordneten Bernd Schäfer zurück, der für seine außergewöhnlichen Verdienste in der Kommunalpolitik sowie im sozialen Bereich mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde. Bernd Schäfer zählte 1989 zu den Gründungsmitgliedern des Arbeitskreises „Versöhnung durch Erinnerung“, dem es im Jahr 1996 gelang, auf dem Gelände des damaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock eine Dokumentationsstätte einzurichten. Ziel des Arbeitskreises war und ist es, das Andenken der russischen Kriegsgefangenen und der in Staumühle untergebrachten und erkrankten Russen zu wahren sowie der vielen verstorbenen Internierten in der Zeit des Nationalsozialismus zu gedenken. Darüberhinausgehend kommt Bernd Schäfer ein maßgeblicher Anteil an der Aufarbeitung der örtlichen NS-Geschichte zu.

Seine Initiative wurde von Gustav Theismann, der sich kommunalpolitisch ebenso wie für die Arbeit und Anliegen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge einsetzt und für sein gesellschaftliches Engagement 2004 mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde, aufgegriffen. Zusammen mit dem Arbeitskreis setzte sich Theismann für die Anbringung der Gedenktafel ein.

Am 5. Juni 2002 übergaben Bernd Schäfer und Joseph Hunke, Neffe der Pflegeeltern von Rosa Böhmer, dem Hövelhofer Bürgermeister Werner Thor einen Antrag an den Gemeinderat zur Errichtung einer Gedenktafel für Rosa Böhmer. Diese sollte am Standort der Kirchschule oder deren damaligem Standort (heute Rathaus), dem Ort der Verhaftung des Mädchens, angebracht werden. Alternativ wurde vorgeschlagen, einen Platz oder eine nahegelegene Straße nach Rosa Böhmer und nach ihrer mutigen Pflegefamilie zu benennen. Der Antrag wurde u.a. auch durch eine Unterschriftensammlung mit 200 Unterschriften von Realschülern unterstützt und führte schließlich zur Einweihung der Gedenktafel im November 2011. Im Jahr 2019 wurde die Inschrift der Tafel von der Steinmetzmeisterin Vivien Dunschen restauriert, um die verwitterte Inschrift wieder lesbar zu machen.

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Schier, Hubert: Vergessenes Schülerschicksal. Rosa Böhmer wurde 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz eingewiesen und ermordet, in: Ders.: Menschenschicksale zur Zeit des Nationalsozialismus in der Senneregion, Hövelhof 2004, S.86-98.

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