Dresden, Laubegaster Ufer

Stolpersteine zur Erinnerung an die Sinti-Familie Blum
  • Die 12 Stolpersteine für die Familie Blum (Foto: Dr. Bernd Gross/Wikimedia)
  • Gunter Demnig bei der Verlegung der Stolpersteine (Foto: Kathrin Krahl)
  • Stolpersteine vor der Verlegung (Foto: Kathrin Krahl)
  • Stolpersteine für den in Auschwitz ermordeten Rudolf Blum (Foto: Dr. Bernd Gross/Wikimedia)
  • Stolperstein für den in Auschwitz ermordeten Willy Blum (Foto: Dr. Bernd Gross/Wikimedia)
  • Von Gästen niedergelegte Blumen nach der Verlegung (Foto: Dr. Bernd Gross/Wikimedia)

Kurzinformation

Stolpersteine zur Erinnerung an die Sinti-Familie Blum

Beschreibung

Die Stolpersteine wurden vor dem heutigen Volkshaus Laubegast im gleichlautenden Dresdner Stadtteil verlegt. Es befindet sich rund neun Kilometer süd-östlich vom historischen Stadtkern und Hauptbahnhof entfernt, ist direkt an der Elbe gelegen und kann mit mehreren Straßenbahnlinien (Haltestelle: Dresden Leubener Straße) und einem anschließenden kurzen Fußweg gut erreicht werden.

Die 12 Stolpersteine bestehen aus Betonsteinen mit darauf verankerten ca. 10 x 10 cm großen Messingplatten und tragen die mit Schlagbuchstaben eingehämmerten Inschriften:

„Hier wohnte Alois Blum, JG. 1891, deportiert 1942, Auschwitz, 1944 KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Buchenwald, 1945 KZ Bergen-Belsen befreit“
„Hier wohnte Anna Blum, JG. 1919, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Ravensbrück, KZ-Aussenlager Graslitz befreit“
„Hier wohnte Dora Blum, JG. 1930, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Ravensbrück, TodesmarschTodesmarsch Bezeichnung für die von der SS in den letzten Monaten vor Kriegsende veranlassten Zwangsmärsche und Zwangstransporte von KZ-Häftlingen in weiter von der Front entfernte Konzentrationslager. Viele Gefangene starben während dieser Transporte und Gewaltmärsche an Entkräftung oder wurden von den Wachmannschaften an der Wegstrecke erschossen. überlebt“
„Hier wohnte Elisabeth Blum, JG. 1923, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Ravensbrück, KZ-Aussenlager Graslitz, Todesmarsch überlebt“
„Hier wohnte Ella Blum, JG. 1925, gedemütigt/entrechtet überlebt“
„Hier wohnte Elli Blum, JG. 1924, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Ravensbrück, Todesmarsch überlebt“
„Hier wohnte Hugo Blum, JG. 1920, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Sachsenhausen, 1945 ‚Sondereinheit Dirlewanger‘, desertiert überlebt“
„Hier wohnte Rudolf Blum, JG. 1934, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Buchenwald, 1944 Auschwitz ermordet“
„Hier wohnte Therese Blum, JG. 1921, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Ravensbrück, KZ-Aussenlager Graslitz, Todesmarsch überlebt“
„Hier wohnte Toni Blum, Geb. Richter, JG. 1893, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Ravensbrück, Todesmarsch überlebt“
„Hier wohnte Willy Blum, Jg. 1928, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Buchenwald, 1944 Auschwitz ermordet“
„Hier wohnte Willy Richter, JG. 1914, deportiert 1943, Auschwitz, 1944 KZ Sachsenhausen, 1945 ‚Sondereinheitdirlewanger‘, desertiert überlebt“

Die zuletzt 12-köpfige Familie Blum betrieb ein Wander-Marionettentheater und reiste durch Dörfer und kleine Städte im Deutschen Reich, um die Bevölkerung mit Theaterstücken und Musik zu unterhalten. Ihr letzter frei gewählter Wohnort war das Laubegaster Ufer 22, wo sie von 1934/1936 bis 1938 ihr Winterquartier bezogen. Das Volkshaus Laubegast war 1889 an der Stelle eines Dorfgasthofs als Ballhaus „Stadt Amsterdam“ errichtet worden. Dort fanden regelmäßig Kinovorstellungen, Konzerte und Tanzveranstaltungen statt. Heute sind in dem Gebäude eine Gaststätte, ein Klub der Volkssolidarität, Büros und Wohnungen untergebracht.

Entstehung

Die Stolpersteine für die Familie Blum sind die ersten in Dresden verlegten für von den Nationalsozialisten verfolgte Sinti und Roma. Sie wurden vom Fachnetzwerk Antiromaismus/Antiziganismus, dem Projekt RomaRespekt und dem Verein „Stolpersteine für Dresden“ initiiert. Ziel dabei war, die Erinnerung an die Familie Blum in die öffentliche Wahrnehmung zu holen und zugleich symbolisch und exemplarisch damit auf alle in Dresden lebenden und in der NS-Zeit verfolgten Sinti und Roma aufmerksam zu machen.

Bei der feierlichen Verlegung durch Gunter Demnig waren rund 50 Gäste anwesend, die später weiße Rosen neben die Stolpersteine legten. Claus Dethleff vom Dresdner Stolperstein-Verein verlas die Geschichte der Familie. Die Patenschaft für die Steine wurde von der Stadtteilinitiative „Laubegast ist bunt“ und der 64. Oberschule Laubegast übernommen.

Die „Stolpersteine“ gehen u.a. auf zwei Aktionen zurück, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erinnerung an die Verfolgung von Sinti und Roma standen. Anlässlich des 50. Jahrestags der ersten DeportationDeportation Bezeichnung für die zwangsweise Um- oder Aussiedlung von Menschen aus ihren Wohngebieten, zum Teil unter Androhung und Anwendung von Gewalt. Während der NS-Zeit wurden ganze Bevölkerungsgruppen wie Juden oder Sinti und Roma zunächst aus dem Deutschen Reich, dann auch aus dem übrigen Europa, in Sammellager, Gettos und Konzentrations- oder Vernichtungslager in die besetzten Ostgebiete deportiert und dort ermordet. Oft wurde dies auch zur Tarnung als "Evakuierung" bezeichnet. der Kölner Sinti und Roma im Mai 1940 zeichnete Gunter Demnig 1990 eine Kreidespur von ihren Wohnorten bis zum Sammellager in den Kölner Messehallen.

Am 16. Dezember 1992 verlegte der Künstler vor dem Alten Kölner Rathaus eine Messingplatte im Pflaster. Sie erinnerte an den 50. Jahrestag des Befehls Heinrich Himmlers zur Deportation der Sinti und Roma in das KZ Auschwitz-Birkenau. 1996 verlegte Gunther Demnig die ersten Stolpersteine in Berlin. Mit den im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln wird an Menschen erinnert, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt oder ermordet wurden.

Bis heute erinnern über 100.000 Steine in Deutschland und 30 weiteren europäischen Ländern an Opfer des Nationalsozialismus. Damit sind die Stolpersteine zum größten dezentralen Mahnmal der Welt geworden.

Gestaltung

Gunther Demnig wurde 1947 in Berlin geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1967 studierte er zunächst Kunstpädagogik und Industrial Design an der Hochschule für bildende Künste Berlin und Kunstpädagogik an der Gesamthochschule Kassel. Dort legte er das 1. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern „Bildende Kunst“ und „Werken“ ab. Nach einem Studium „Freie Kunst“ an der Universität Kassel von 1974 bis 1977 arbeitete er zunächst im Bereich der Denkmalsanierung sowie zwischen 1980 und 1985 als künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Kunst der Universität Kassel.

Seit 1985 unterhält er ein Atelier in Köln. Gunter Demnig ist seit 1987 Mitglied im Internationalen Künstlergremium. Dieser Zusammenschluss von Künstlern, Kuratoren und Kritikern setzt sich für Kunst-, Informations- und Pressefreiheit sowie für kulturelle Selbstbestimmung, Toleranz und kulturelle Vielfalt ein. Nach den Aktionen zur Erinnerung an die Deportation von Sinti und Roma in den Jahren 1990 und 1992 entwarf Gunther Demnig 1993 das Projekt „Stolpersteine“. 1996 fand die erste Steinverlegung in Berlin-Kreuzberg statt, die zu dem Zeitpunkt noch nicht genehmigt war und erst später legalisiert wurde.

Für sein Projekt „Stolpersteine“ erhielt Gunther Demnig zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2004 die Herbert-Wehner-Medaille der Gewerkschaft ver.di, 2006 den Bertini-Preis der Stadt Hamburg und 2011 die Otto-Hirsch-Medaille der Stadt Stuttgart. Im Jahr 2008 wurde er mit dem Titel „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet. Gunther Demnig lebt in Frechen bei Köln.

Internetseite von Gunter Demnig http://www.gunterdemnig.de/

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Hesse, Hans: Stolpersteine. Idee, Künstler, Geschichte, Essen 2017
NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (Hrsg.): Stolpersteine. Gunter Demnig und sein Projekt, Köln 2007
Leo, Annette: Das Kind auf der Liste. Die Geschichte von Willy Blum und seiner Familie, Berlin2018

Stolpersteine für Dresden e.V., http://stolpersteine-dresden.de am 01.08.2024
Liste der Stolpersteine in Dresden, https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Dresden am 01.08.2024
Volkshaus Laubegast, https://wikimapia.org/7305009/de/Volkshaus-Laubegast am 01.08.2024
Pressemitteilung „Weiterdenken – Heinrich Böll Stiftung Sachsen“ zur Stolpersteinverlegung für die von den Nationalsozialisten ermordete Familie Blum vom 31.1.2024, https://www.weiterdenken.de/de/2024/02/27/stolpersteinverlegung-fuer-die-familie-blum#:~:text=Am%208.,m%C3%B6chten%20Sie%20herzlich%20dazu%20einladen. am 01.08.2024

Wir danken Dr. Bernd Gross für seine über Wikimedia zur Nutzung bereitgestellten Fotoaufnahmen sowie Kathrin Krahl für die Nutzungserlaubnis ihrer Fotografien.

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