Rübeland, Mühlental

Gedenktafel für den in Auschwitz ermordeten Sinto Willy Blum
  • Detailansicht der Infotafel (Foto: Andreas Pflock)
  • Ausschilderung vom Parkplatz zu den vielbesuchten Höhlen. Im Bildhintergrund befindet sich die Infotafel. (Foto: Andreas Pflock)
  • Gedenktafel unmittelbar an der B 27 (Foto: Andreas Pflock)
  • Enthüllung der Tafel durch Dr. Unger und zwei (Groß-)Neffen Willy Blums (Foto: Gedenkstätte Buchenwald/Rikola-Gunnar Lüttgenau)
  • Ansprache des Bürgermeisters der Stadt Oberharz, Ronald Fieberkorn (Foto: Gedenkstätte Buchenwald/Rikola-Gunnar Lüttgenau)

Kurzinformation

Gedenktafel für den in Auschwitz ermordeten Sinto Willy Blum

Beschreibung

Von Elbingerode aus Westen über die Bundestraße 27 nach Rübeland kommend, befindet sich die Gedenktafel rund 300 Meter nach dem Ortseingang linkerhand am Rande eines Parkplatzes für die Besucherinnen und Besucher der Baumannhöhle. Sie wurde unmittelbar am Mühlenbach, gegenüber des örtlichen Feuerwehrgebäudes und neben einer Grubenlore aufgestellt. Den Anlass dafür hatte der 90. Geburtstag von Willy Blum gegeben. Bis in die 1990er Jahre stand dort das „Gasthaus zu den vier Linden“, in dem Willy Blums Familie untergebracht war, und in dessen unmittelbarer Nähe Willy Blum geboren wurde.

Die Tafel trägt folgenden Text:
„Hier wurde am 13. Juli 1928 Willy Blum als fünftes Kind der Marionettenspielerfamilie geboren. Das Wandertheater gastierte an diesem Tag im ‚Gasthaus zu den vier Linden‘. Willys Geburtsort war die nahegelegene Baracke des Müllers Jacobi. Zwischen der ehemaligen Mühle und dem Gasthaus fließt heute noch der Mühlteich, der damals die Grenze zwischen dem Freistaat Braunschweig und der Provinz Hannover bildete.

Die Blums gehörten dem Volk der Sinti an. Das NS-RegimeRegime Meist abwertende Bezeichnung für eine Herrschafts- oder Regierungsform. verfolgte sie deshalb und verbot ihnen das Theaterspiel. Anfang März 1943 verhaftete die Polizei alle Mitglieder der Familie und deportierte sie nach Auschwitz. Im August 1944 kamen Willy, sein kleiner Bruder Rudolf und ihr Vater Aloys Blum mit einem Transport in das KZKonzentrationslager Konzentrationslager (kurz: KZ oder KL) waren das wichtigste Instrument der NS-Terrorherrschaft. Erste Lager entstanden schon im März 1933, kurz nach der Machtübernahme der NSDAP, anfangs noch in u.a. leeren Fabrikgebäuden, ehemaligen Gefängnissen und Kellergewölben. Bis Kriegsbeginn wurden sieben Konzentrationslager errichtet, bis Ende des Krieges waren es 22 Hauptlager mit weit über 1.000 Außenlagern und Außenkommandos. Alle, die von den Nationalsozialisten zu weltanschaulichen, religiösen und „rassischen“ Gegnerinnen und Gegnern erklärt worden waren, sollten dort inhaftiert werden. Darunter befanden sich vor allem Juden, Sinti, Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Kommunisten, Sozialisten und andere politische Gegner. Mit Kriegsbeginn verschärften sich die Haftbedingungen weiter und die Ermordung der Gefangenen wurde zur Selbstverständlichkeit. Die Arbeitskraft der Häftlinge sollte bis zur völligen Erschöpfung oder bis zum Tod für die Kriegswirtschaft ausgenutzt werden. Die SS bezeichnete dies als "Vernichtung durch Arbeit". Buchenwald. Als Rudolf Ende September 1944 zurück in das Vernichtungslager geschickt werden sollte, bat Willy darum, seinen Bruder begleiten zu dürfen. Sie waren sechzehn und neun Jahre alt, als sie in Auschwitz ermordet wurden. Von Willy Blum blieb nur sein hinzugefügter Name auf einer Liste neben dem durchgestrichenen Namen Stefan Jerzy Zweigs, der durch Bruno Apitz‘ Roman ‚Nackt unter Wölfen‘ weltberühmt wurde.“

Entstehung

Die Einweihung der Tafel am 13. Juli 2018 erfolgte auf Initiative von Dr. Christoph Unger vom Rübelander Geschichtsverein (dem „Harzklub Rübeland“) in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung. Die Gedenktafel wurde in Anwesenheit zweier Neffen bzw. Großneffen von Willy Blum (Hugo Steinbach und Johann Seeger), des damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Oswald Marschall, Andre Raatzsch und Joschi Rose vom Dokumentations- und Kulturzentrum, der Berliner Historikerin Annette Leo sowie Rikola-Gunnar Lüttgenau (Leiter Strategische Kommunikation, Gedenkstätte Buchenwald) enthüllt.

Zu der Feierstunde geladen hatten der Bürgermeister von Oberharz am Brocken, Ronald Fieberkorn, sowie als Vertretung des Harzklubs Dr. Christoph Unger mit den Mitgliedern Ralph Ehrt und Klaus Bergen. Der ursprüngliche Plan, den Geburtsort von Willy Blum mit einem für die Region üblichen gelben Erklärungsschildes in Form eines Tannenbaums (der sogenannten Dennert-Tanne) zu markieren, wurde zugunsten der ausführlicheren Tafel verworfen.

Quellenangaben

Archiv Dokumentations- und Kulturzentrum, Heidelberg: Sammlung Gedenkorte

Falkner, Burkhard: Spur zu „Nackt unter Wölfen“, in: Harzer Volksstimme, 26.07.2018
Falkner, Burkhard: Willy Blum dem Vergessen entrissen, in: Harzer Volksstimme, 14.07.2018
Unger, Christoph: Ermordeter Sinti wird in Rübeland geehrt, in: Harzer Volksstimme, 10.07.2018
Ders.: Im Höhlenort Rübeland wurde Willy Blum geboren, in: Unser Harz 10/2023, S. 191ff.

Wir danken der Stadt Oberharz am Brocken sowie der Gedenkstätte Buchenwald (Rikola-Gunnar Lüttgenau) für die freundliche Unterstützung und die Nutzungserlaubnis der hier verwendeten Fotos.

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